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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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vor zwölf Jahren schlagartig räumen lassen und hermetisiert, weil es von den Giftwolken einer außer Kontrolle geratenen Pestizid-Fabrik verseucht werden würde; die elektronische Glocke war längst aufgehoben, aber das Gebiet galt noch immer als unbetretbar und durfte auch nicht überflogen werden.
    »Ich bin selbst dort gewesen«, sagte Maud, »eine grauenvolle Gegend, die Häuser völlig vom Säureregen zerfressen, die Straßen wie von Meteoriten zerrissen, wahrscheinlich hat der Asphalt gekocht und riesige Blasen gebildet, die dann zerplatzten. Wir haben nicht viel gesehen, wir waren natürlich nachts dort.«
    »Warum eigentlich?«
    »Unsere Techniker hatten einen unter dem PARIA verlaufenden Kommunikationskanal reaktiviert. Als wir erfuhren, daß die Stadtverwaltung dort jetzt eine Mülldeponie errichten will, wollten wir die Geräte einer Verstärkerzentrale bergen, die bei der Räumung intakt geblieben war, aus Schlamperei, wie wir dachten. – Ihr wißt, was dort passieren wird: verbrannte Erde.« Timothy nickte. Die Erde wurde buchstäblich verbrannt, mit Laser- und Daserminen atomisiert und ausgeglüht, um eine undurchlässige Grundschicht herzustellen.
    »Als wir den Bunker aufbrechen wollten, um in die Verstärkerzentrale einzudringen, entdeckten wir, daß er nur scheinbar zerstört war, in Wirklichkeit aber völlig intakt, die Zugänge standen sogar offen, und er war bewohnt. Von Kindern und Jugendlichen!«
    »Wie sind die dahin gekommen?« rief Anne.
    »Die Räumung damals kam völlig überraschend, und zu dem Gebiet gehörte ein Stück Noland, das schlagartig umstellt worden war, so daß niemand entkommen konnte. Da ist jemand auf die Idee gekommen, die Kinder in dem Bunker zu verstecken, bis sich eine Möglichkeit finden würde, sie zu retten, es waren ja alles Engel.«
    »So viele?« warf Timothy ein.
    »Offensichtlich eine Verkettung von Zufällen. Wir wissen zuwenig. Es gibt niemanden mehr, der damals schon erwachsen war, und die Aussagen der Engel, die bereit waren, mit uns zu sprechen, sind unzuverlässig. Soviel ist sicher: Damals befanden sich zwei größere Gruppen von Kindern im Noland, zum einen ein paar Departements, die aus einem Drop-Out-Home ausgebrochen waren, zum anderen etliche Dutzend Mädchen, die eines unserer Kommandos gerade aus einem Forschungsinstitut befreit und erst einmal in das Noland gebracht hatte; man nahm damals an, daß sie von den Behörden eingefangen oder liquidiert worden waren. Sicher kamen in diesen Bunker auch einige der Kinder, die immer in den Nolands sind: von Flüchtlingen oder von Leuten, die sich illegal die Babydroge beschafft und gehofft hatten, das Kind werde, wenn es einmal da sei, legalisiert werden. Bestimmt auch von Mietmüttern; das kommt doch oft vor, daß sich eine Frau durch das Honorar verleiten läßt, für eine andere ein Kind auszutragen, es nach der Geburt aber nicht hergeben will, sondern lieber flüchtet.«
    »Trotzdem«, sagte Timothy, »das können unmöglich tausend gewesen sein, nein, mehr! Die Sterberate in einem PARIA muß hoch sein.«
    »Das ist sie bestimmt«, bestätigte Maud. »Aber die Geburtenrate auch.« Anne und Timothy blickten sie überrascht an.
    »Die Mehrzahl der Engel sind Kleinkinder. Dort geboren. Ihr müßt euch das vorstellen: ein Haufen Kinder, die zu Halbwüchsigen heranwachsen, ohne Kontakt mit der Außenwelt, ohne jede Erziehung und Bildung, nicht einmal Video besaßen sie, und die wenigen Erwachsenen, die ursprünglich im Bunker waren, haben es offensichtlich nicht lange überlebt; das einzige, was sie vom Leben hatten, war –«
    »Sex«, sagte Timothy.
    »Nennen wir es lieber Zärtlichkeit, Zuneigung, Wärme, aneinander festklammern – und wer weiß denn noch, wie man Kinder verhütet?«
    »Vielleicht hätten sie sie auch gar nicht verhüten wollen«, sagte Anne leise. »Ein Kind, das ist etwas, was dem Leben auch unter schlimmen Umständen einen Sinn geben kann, vielleicht gerade dann.«
    »Ich verstehe trotzdem nicht, woher dieser Baby-Boom gekommen ist«, meinte Timothy. »Sie müssen doch irgend etwas getrunken haben!«
    »Ja, Wasser. Man hat im untersten Keller eine Zuleitung des Städtischen Netzes angezapft, das Wasser ist noch frei von Sterilisationsmitteln. Es sind übrigens fast alles Mehrlingsgeburten, vor allem Drillinge und Vierlinge, aber fragt jetzt bitte nicht, wieso, ich weiß es nicht. Ich habe mit einer Neunzehnjährigen gesprochen, die Zutrauen zu mir faßte – vielleicht habe ich sie

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