Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
Mensch als total kontrolliertes, gegängeltes, ständig bewachtes und überwachtes Wesen, als billige Wegwerfware. Wie soll ein Mann wie Dundee damit fertig werden? Zumal wenn er mit niemandem darüber sprechen darf, nicht einmal zu Hause, weil er überall überhört werden kann.«
»Er kann zum Psychiater gehen. Das sind die Beichtväter von heute.«
»Aber ohne Beichtgeheimnis. Dafür mit der Verpflichtung, alle staatsfeindlichen Regungen sofort zu melden. Wir nennen uns ein Kulturvolk, Debby, aber heißt Kultur als tägliche Lebenspraxis nicht vor allem, daß man über jede Frage ohne Angst sprechen kann? Wenigstens mit einem Menschen?« Timothy sah, wie Deborrah Johnsons Miene sich verfinsterte. »Ich habe das Glück, Sie zum Freund zu wissen«, sagte er. »Es erleichtert mich ungemein, einmal auszusprechen, was mich bedrückt.« Timothy lächelte. »Und es ist dazu noch billiger als eine Konsultation beim Psychiater. Danke schön.«
Die Bachstelze griff über den Tisch und streichelte seine Hand mit ihren dicken, wabbeligen Fingern. »Was mich irritiert«, sagte sie, »sind die Fälle von sklavischer Gedankenlosigkeit, die schon an Subordination grenzen.«
»Vielleicht ist es nur Hilflosigkeit?« meinte Timothy. »Die Anweisungen der Obrigkeit sind oft zweideutig.«
»Der gute Untergebene zeigt sich darin, daß er begreift, was sein Chef will! Daß er den wirklichen Sinn hinter den Worten entziffert. Das lernt man spätestens auf den Offiziersschulen. Wir können schließlich nicht alles offen aussprechen. Wo kämen wir da hin! Aber ich bin nicht gekommen, um unsere Probleme zu diskutieren. Haben Sie das Material studiert?«
»Ja. Hier haben Sie es zurück.« Timothy schob ihr den Kristall hin. »Das ist nichts für mich. Ich bin kein Polizist.«
»Es ist nicht das erste Mal, daß Sie für mich arbeiten.«
»Ich habe Ihnen bereits beim letzten Mal erklärt, daß es das letzte Mal war!«
Die Bachstelze kicherte. »Das haben Sie jedesmal erklärt, Tiny! Freundschaft verlangt gegenseitiges Helfen.«
»Wie sollte ich Ihnen hier helfen? Brooker würde mich keinen Schritt auf sein Gebiet machen lassen.«
»Ich erwarte nur, daß Sie für mich denken. Ich habe Anweisung gegeben, eine Alpha-Interlinear-Schaltung zwischen Napoleon und unserem Zentralcomputer herzustellen.«
»Bitte, wie?« Timothy sah sie verdattert an.
Die Bachstelze nickte vergnügt. »Sie haben richtig gehört. Damit wir nicht noch mehr Zeit verlieren.«
Timothy überlegte fieberhaft. Mit einer solchen Schaltung bekäme er direkten Zugriff zu einer ganzen Reihe staatlicher Dateien. War es eine Falle? Man würde gewiß kontrollieren, was alles er abrief. Und bei einer Alpha-Interlinear konnte der Polizeicomputer seinerseits Napoleons Dateien abfordern! Vielleicht war die Mutantengeschichte eine Fiktion und das Ganze ein getarnter Angriff auf Napoleon?
»Keine Alpha-Interlinear«, erklärte er. »Jemand könnte bei Ihnen auf den dummen Gedanken kommen, bei dieser Gelegenheit in meinen Dateien zu kramen.«
»Ich bitte Sie!« rief die Bachstelze empört. »Wenn ich an Ihre Dateien wollte, könnte ich beim Bundesgericht eine Freigabe nach dem Informationsgesetz 68 erwirken.«
»Soweit nicht einer meiner Klienten Einspruch erhebt, um seine Datensphäre zu schützen!«
»Ich wollte Ihnen nur die Arbeit erleichtern«, sagte die Bachstelze enttäuscht. »Ich brauche schnelle Ergebnisse.«
»Warum? Nur, weil das Militär Sie drängt?«
»Der Fall muß geklärt und bereinigt werden. Man kann nicht zulassen, daß irgendein Unternehmen eine illegale Babyfabrik unterhält. Ich verstehe auch nicht, warum, schließlich gibt es großzügig Lizenzen. Wenn aber schon derartige Forschungen, dann unter strikter staatlicher Kontrolle. Solche Pannen sind unverzeihlich. Wenn ich mich nicht täusche, sind in diesen Fall eine ganze Reihe von Bigbossen verwickelt. Ich will wissen, was dahintersteckt. Ich habe aus zuverlässiger Quelle erfahren, daß Earl Brooker zwei Tage nach dem Zwischenfall in Harlington eine Konferenz mit den Chefs von ein paar Dutzend der führenden Unternehmen durchgeführt hat.«
»Sie wollen doch nicht etwa an den Grundfesten unserer Gesellschaft rütteln?« spottete Timothy.
Die Bachstelze sah in prüfend an. Ihre Hängebäckchen zitterten. Timothy goß schnell Kaffee nach.
»Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Tiny. Demnächst wird der Posten des Vizegouverneurs vakant. Wenn es mir gelingt, diese verfahrene Kiste zu bereinigen, darf
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