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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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vor einem philosophischen Disput mit Napoleon zu retten.«
    6.
    Die Bachstelze meldete sich kurz nach zwölf.
    »Ich bin schon im Haus«, sagte sie. »Wir haben eine Konferenz im ›Rubinsaal‹, und es ist gerade Pause. Sie laden mich gewiß zum Essen ein.«
    »Tut mir leid«, erwiderte Timothy, »ich habe heute meinen Fastentag.«
    »Dann trinke ich nur einen Kaffee. In ein Restaurant möchte ich nicht gehen.« Sie lachte polternd. »Zu viele Bullen.«
    Der Kaffee war kaum fertig, da stand Deborrah Johnson schon an der Tür. Timothy führte sie ins Mausoleum.
    »Sind Sie allein?« fragte die Bachstelze. »Oder haben Sie Miss Frobisher versteckt? Sie brauchen nicht rot zu werden, Tiny. Waren Sie mit ihr verreist? Ich hoffe nur, daß Sie Ihren Job nicht aufgeben, wenn Sie in den DuMont-Clan einheiraten.«
    »Davon kann keine Rede sein«, brummte Timothy. »Wir werden uns nie mehr sehen.«
    »Tut mir leid für Sie.« Die Bachstelze tätschelte seine Hand. »Aber ich glaube, das war auch nicht –«
    »Was ist das für eine Konferenz?« unterbrach Timothy.
    »Ein Symposium der Führungsspitzen aller staatlichen Ordnungskräfte mit den Koryphäen der Psychologie. Über die Effizienz von Führungsmethoden und Befehlsstrukturen. Verrückte Idee, daß ausgerechnet die Psychologen helfen könnten, mit unseren Leuten fertig zu werden.«
    »Wollen Sie etwa sagen, daß sich selbst bei der Polizei Ungehorsam und Aufsässigkeit breitmachen?«
    »Das nicht, aber laxe Dienstauffassung, Mangel an Initiative, ein fast schon lethargisches Desinteresse – niemand will mehr tun, als er unbedingt muß. Können Sie mir verraten, wieso? Unsere Beamten haben einen sicheren Job, gutes Einkommen, familiäre Privilegien, immer eine Gelegenheit, ihre Frustrationen abzureagieren – was ist los, Tiny?«
    »Sie erwarten doch nicht ernsthaft eine Antwort von mir?«
    »Doch, das tue ich. Sie wissen, ich schätze Ihre unabhängige, unbestechliche Intelligenz. Reden Sie offen und ungeschminkt.«
    Timothy blickte die Bachstelze prüfend an. Wollte sie ihn reinlegen, oder suchte sie wirklich eine Erklärung? Er hustete kräftig. Ein Blick auf sein Uhrenarmband bestätigte, daß kein Mikrofon mitlief.
    »Ich weiß zuwenig von Polizisten«, sagte er. »Meine Klienten und Freunde stammen aus anderen Kreisen.«
    »Es betrifft ja nicht nur Polizisten, wie ich soeben wieder bestätigt bekommen habe, sondern alle Arten von Beamten.«
    »Vielleicht fühlen sie sich zu sicher in ihrer Position?«
    »Ich werde meinen Leuten schon Feuer unter den Arsch machen«, rief die Bachstelze wütend.
    »Wollen Sie denn wirklich Leute mit Initiative und eigenen Ideen? Das setzt kritisches Denken voraus.«
    »Natürlich nicht in den Mannschaftsgraden; die müssen bedingungslos gehorchen und sonst nichts. Aber in den oberen Chargen! Sie glauben gar nicht, wie knapp gute Führungskräfte sind. Und wenn man mal jemanden gefunden hat, dann dreht er durch. Dundee hatte einen Nervenzusammenbruch.« Sie nickte Timothy mit verkniffenen Lippen zu. »Ich verrate Ihnen sicher kein Geheimnis, wenn ich sage, daß die Zahl der Neurosen und Psychosen gerade im Staatsapparat beängstigend groß ist. Besonders bei Polizei- und Geheimdienstoffizieren.«
    »Wundert Sie das, Debby? Gerade Ihre intelligenten Leute müssen besonders unter der allgemeinen Schizophrenie leiden. Sie müssen nicht nur stets und ständig die offizielle Politik vertreten, sie müssen sie auch mit Gewalt durchsetzen; andererseits haben sie den engsten, unmittelbarsten Kontakt zur Wirklichkeit – der Widerspruch zwischen der Realität und dem offiziellen Bild unserer Gesellschaft muß sie irgendwann zerreißen, wenn sie nicht zum bedenkenlosen Zyniker werden oder zu Drogen greifen. Ein Mann wie Dundee kann nicht auf Dauer ungestraft schwarz sehen und weiß predigen, irgendwann flippt er aus. Tut mir wirklich leid um ihn.«
    »Das bekommen die Psychiater schon wieder in den Griff. Zum Glück hat die Wissenschaft genügend Mittel, einen aus den Gleisen Geratenen wieder anzupassen.«
    »Wird er danach noch ein guter Mann sein?«
    »Ich glaube, Sie sehen das Problem an der falschen Stelle«, sagte die Bachstelze ärgerlich. Timothy ließ sich nicht beirren. »Ihre Männer werden auf den obersten Verfassungsgrundsatz vereidigt. Sie schwören, den Schutz des Individuums zu garantieren und die Freiheit des Menschen als das höchste Gut unserer Gesellschaft notfalls mit ihrem Leben zu verteidigen. Wie aber ist die Praxis? Der

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