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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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ganze Figur sichtbar wurde; er hatte sich einen beachtlichen Bauch zugelegt. »Ich habe bis gegen fünf Uhr zu tun, dann komme ich gerne zu dir.«
    »Um halb sechs wird serviert«, antwortete Timothy, »und wenn du nicht pünktlich bist, esse ich alles alleine, und du bekommst Fraß aus dem Restaumaten.«
    Timothy stürzte sich in die Vorbereitungen. Die Peaboddys und die Truckles waren in der »Blackhill Avenue« Nachbarn gewesen; Huck und Timothy wuchsen wie Brüder auf. Sie hatten in der Schule immer nebeneinander gesessen und später wenigstens einen Teil der Semesterferien gemeinsam verlebt und sich so oft wie möglich besucht, bis Peaboddy vor nunmehr fünfzehn Jahren nach Utah ging und die Verbindung abriß; eine Zeitlang hatten sie noch regelmäßig miteinander gesprochen, dann waren auch die Communicator-Besuche eingeschlafen.
    Timothy mobilisierte all seine Beziehungen, damit es eine würdige Wiedersehensfeier werden konnte, er bekam Strömlinge und Salm für eine Bouillabaisse und frische Hirschleber und Kalbfleisch für ein Greenwich-Gulasch, als Vorspeise bereitete er Thunfisch-Mayonnaise, und für den Nachtisch opferte er die Packung gefrostete Himbeeren, die Jennifer ihm geschenkt hatte. Als er die festliche Tafel mit den Kristallgläsern, dem Wedgewood-Porzellan, den Silberbestecken und venezianischen Leuchtern noch einmal prüfend überblickte, überkam ihn Wehmut. Wie gerne hätte er solch einen Tisch für Anne gedeckt. Du bist ein unverbesserlicher Dummkopf, beschimpfte er sich. Mußt du dich ausgerechnet in deinen Großen Bruder verlieben, in die Frau, die dir am nächsten und zugleich am unerreichbarsten ist? Oh, Tiny, du bist ein Fall für einen kitschig-tragischen Liebesroman aus dem neunzehnten Jahrhundert!
    Huck kam kurz nach fünf. Noch in der Tür fielen sie sich in die Arme. Als der fast zwei Meter große und drei Zentner schwere Huck den winzigen Timothy hochriß und im Kreis schwenkte, griff der Safeman, der Peaboddy vom Flugdeck heruntergebracht hatte, nach seinem Rayvolver; Timothy winkte ihm beruhigend zu.
    »Laß mich ’runter, Huck«, bat Timothy, doch Peaboddy nahm ihn auf den Arm und wanderte so durch die ganze Wohnung; erst im Arbeitsraum ließ er ihn zu Boden. Er betrachtete nachdenklich den ruhenden Napoleon, auf dessen Stirnseite nur die Bereitschaftslichter glimmten. »Das also ist dein Napoleon«, sagte er. »Denkt er gerade?«
    »Keine Ahnung«, antwortete Timothy. »Er hat frei und könnte schlafen, doch wer kann schon in so ein Elektronengehirn gucken.«
    »Ist er wirklich so intelligent?«
    »Prüfe es selbst.« Timothy hatte zwei Gläser Whisky eingeschenkt. »Prost, Huck, auf unser Wiedersehen. Ich hoffe, du hast viel Zeit mitgebracht. Am besten, du bleibst ein paar Wochen in Chicago. Als mein Gast, versteht sich.«
    »Ich habe schon jetzt die Schnauze gestrichen voll von deinem Chicago«, erwiderte Huck mit säuerlichem Lächeln. »Ich sehne mich geradezu nach meiner Einöde. Noch keine vierundzwanzig Stunden bin ich hier und schon sechsmal bestohlen oder überfallen worden; das erste Mal –«
    Timothy unterbrach ihn. »Erzähl es mir in der Küche, während ich die letzten Vorbereitungen treffe.« Ihn hätten ganz andere Dinge interessiert als Peaboddys Erlebnisse mit der Chicagoer Unterwelt, die zwar für einen Mann aus den Wasatch-Mountains sensationell sein mochten, für einen Großstädter jedoch alltägliche Banalität waren, aber er hörte geduldig zu, er merkte doch, daß sein Freund es erst einmal loswerden mußte. Schon am Flughafen hatte es angefangen: Der Koffer, den Huck eigenhändig in der Maschine abgestellt hatte, war gestohlen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich einen neuen Koffer und Wäsche, und was man so für ein paar Tage brauchte, zu kaufen.
    »Ein paar Minuten später war ich alles wieder los. Als ich in die Metro wollte, wurde mir der Koffer buchstäblich aus der Hand gerissen, Tiny!«
    »Nur ein Greenhorn fährt mit Gepäck in der Metro«, kommentierte Timothy.
    »Also habe ich ein zweites Mal eingekauft. Ob du es glaubst oder nicht, der Koffer wurde aufgebrochen, während ich im Restaurant zu Abend aß.«
    »Ich glaube dir, Huck.«
    »Als ich dann noch einmal hinunterfuhr, um ein wenig durch die Straßen zu laufen ...«
    »Abends durch die Straßen spazieren!« rief Timothy entsetzt. »Mann, du lebst wirklich hinter dem Mond.«
    »... wurde ich im Fahrstuhl überfallen. Von zwei Männern um die Vierzig, so elegant, daß ich nie auf

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