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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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seine Umarmung und tauschte einen Begrüßungskuss mit ihm, der ein bisschen zu lange dauerte, und dann nickte sie Ina Soderbord und Sandy De Haven und Regina McIntyre zu und schwatzte ununterbrochen, bis ihr jemand ein Glas Wein in die Hand drückte und sie eine Sekunde lang innehalten konnte, um zu trinken. Sie ließ den Augenblick verstreichen, und dann sprach sie von ihrem Bedürfnis, ein Bad zu nehmen und sich zum Essen umzuziehen – sie sei so in der Arbeit drin gewesen, dass sie völlig die Zeit vergessen habe –, und ihr leeres Glas stand auf dem Servierwagen, die Eichbäume schoben sich näher an den Rand der einen Hektar großen Rasenfläche heran, die Sonne hing schon tief in den Fenstern des großen, zweistöckigen Hauses mit den spitzen Giebeln, und dann lief sie die Treppe hinauf und in die Halle.
    Pflaster und ein Antiseptikum wollte sie sich im Gemeinschaftszimmer besorgen – in der Halle war niemand, drei rasche Schritte und dann die Stufen hinauf –, aber wie sollte sie an Hosen, Socken und Schuhe, ein sauberes Hemd kommen? Sie könnte Saxbys Sachen durchwühlen – er würde es sicher nie bemerken –, aber Saxby besaß die Waschbrettbrust und die schmalen Hüften eines Sportlers, und ihr war klar, dass seine Hosen Hiro nicht passen würden. Gleiches galt für Sandy und den hageren, langbeinigen Peter Anserine. Dann war da noch Bob der Dichter, aber der war wieder zu klein, und Detlef Abercorn, dem sie ein Zimmer hinten im zweiten Stock gegeben hatten, doch der war zu groß. Natürlich konnte sie ohne Weiteres in Darien etwas kaufen, aber dafür würde sie auf Saxby und die Fähre warten und sich außerdem eine Erklärung ausdenken müssen – und erklären wollte sie niemandem etwas, nicht einmal Saxby.
    Im Bad suchte sie Jod, Wasserstoffperoxid, Vaseline, eine Schachtel mit fleischfarbenen Pflasterstreifen, zwei Stücke einer nach Flieder duftenden Seife, die zu gähnenden Alligatoren geformt waren, und ein Handtuch zusammen. Sie rollte alles in das Handtuch ein und horchte auf Schritte, da fiel ihr Irving Thalamus ein. Er wäre perfekt – nicht dass er genauso feist wie ihr Japaner war, aber er hatte etwa dieselbe Größe und einen doch recht ordentlichen Schmerbauch. Von der Terrasse drang fröhliches Lachen zu ihr herauf. Sie musste sich beeilen – schwer zu sagen, wann jemand von dort unten eine Blase voll Wein oder Gin entleeren oder das Make-up erneuern musste. Leise öffnete sie die Tür, das Handtuch unter den Arm geklemmt, und blickte in beide Richtungen, ehe sie auf den Gang hinaustrat.
    Sie spürte ihr Herz klopfen. An den Türen gab es keine Schlösser – nicht einmal innen einen Riegel für nächtliche Ungestörtheit. Es war Septimas Prinzip, ihren Künstlern in materiellen Dingen vorbehaltlos zu trauen. Sie stellte es jedem frei, ungestört herumzustreifen, und ließ für die Libido keine andere Grenze gelten als beiderseitiges Einverständnis. »Ehen gibt es keine auf Thanatopsis House«, hatte sie Ruth bei der Begrüßung in der Kolonie erläutert. »Diese Institution erkennen wir nicht an. Hier«, und dabei hatte sie Saxby angestrahlt, der hinter Ruth getreten war und die Innenseite ihres Handgelenks massierte, »hier glauben wir daran, dass ein Künstler oder eine Künstlerin sich so benehmen soll, wie er oder sie Lust hat.« Ja. Und nun stand Ruth allein im ersten Stock, unter dem Arm ein Bündel mit entwendeten Toilettenartikeln, und benahm sich verstohlen und unsozial.
    Ihr Zimmer war zu ihrer Linken, aber sie ging daran vorbei und auch an denen von Clara Kleinschmidt und Peter Anserine – wenn jemand sie überraschte, konnte sie noch sagen, sie gehe sich die Hände waschen, in das kleine Bad am Ende des Korridors, um nicht das große zu belegen, falls jemand vor dem Abendessen noch duschen wolle. Und dann kam sie an Owens Zimmer vorüber und huschte um die Ecke. Vor ihr lag die Tür zur Hintertreppe, links davon das Bad. Und zur Rechten die Tür zu Irving Thalamus’ Allerheiligstem. Sie zögerte, hörte wieder Gelächter und Gläserklingen von unten, und dann war sie drin.
    Schnell , sagte sie zu sich, schnell , und sie unterdrückte ihren Ärger über die unterschiedlichen Größen der zugewiesenen Räume – ihr eigenes Zimmer erinnerte an einen Schuhkarton – und ging direkt an den Kleiderschrank aus Kirschholz. Schnell , rief eine Stimme in ihrem Innern, und ihre Hand zitterte vor nervöser Erregung – es war wie im Film, wenn der Held in die Wohnung des

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