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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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Mörders einbricht, und immer, immer kommt der Mörder zurück und überrascht ihn dort –, während sie sich durch Bügel mit Jacken, Hemden und Hosen wühlte, teilweise noch von der Reinigung in Zellophan gehüllt. Nichts Auffälliges, dachte sie, nichts, was er vermissen wird. In der unteren Schublade entdeckte sie Unterwäsche – sehr knappe Slips, fühlten sich nach Seide an, in Rosa, Rot und Königsblau. Ganz flüchtig dachte sie darüber nach, dachte an seinen behaarten Bauch und an die Einschnürung, die diese winzigen Dinger verursachen mussten, an seinen Schwanz und seine Eier, die sich von innen gegen das Material pressten, und dann fand sie, was sie suchte: ein Paar Bermudas, die sie ihn noch nie hatte tragen sehen – was tat es schon, dass grellgelbe Papageien und froschgrüne Palmen drauf waren? –, und ein einfaches weißes T-Shirt mit V-Ausschnitt. Sie schob die Lade wieder zu, schloss den Schrank und zog ein Paar ausgetretene Turnschuhe unter dem Bett hervor. Die würde er nie vermissen.
    Da tönte plötzlich von der Terrasse lautes Johlen herauf, und ihr blieb fast das Herz stehen. Sie hörte einen Schrei, dann das Geräusch von splitterndem Glas und schallendes Gelächter. Knallte da auch eine Tür? Sie musste weg hier. Aber wohin mit den Beweisstücken? Sie konnte doch nicht einfach … der Kissenbezug. Aber nein, das würde er sofort bemerken. Und dann fiel ihr Blick auf den Papierkorb, ein billiges Ding aus Stroh mit einer schwarzen Plastiktüte darin. Atemlos bückte sie sich, zog die Tüte heraus und leerte den Inhalt zurück in den Eimer, schnell, schnell, bei jedem Geräusch fuhr sie zusammen, die Sekunden verrannen, und was, wenn er sie erwischte, was würde sie dann sagen? Trotzdem … sogar unter Stress fiel ihr der weggeworfene Brief von seinem Agenten und die sauber in zwei Hälften zerrissene Postkarte – von wem? – von seinem Sohn auf. Sie stopfte sie zusammen mit der restlichen Beute in die schwarze Plastiktüte und öffnete behutsam die Tür.
    Sie schreckte auf: Da kam jemand. Eine dunkle Gestalt, eine Bewegung: Durch den Gang kam jemand.
    Ruth zog die Tür wieder zu, ihr Herz hämmerte, auf den Lippen hatte sie wilde Ausreden: sie suche nach der Waschküche und sei hier aus Versehen hereingeraten, sie helfe Owens puertoricanischem Sklaven – wie hieß der schnell? Rico? – mit dem Müll, ja, seine Mutter sei leider krank, und … sie hörte nahende Schritte, ein schwerer Gang, erbarmungslos näherkommend … und dann hielten sie inne – brachen ab, stoppten, verstummten – genau vor der Tür. Sie war erledigt. Das war’s dann. Sie stellte sich alles vor: den überraschten kalten Eidechsenblick von Irving Thalamus, Septimas kompromisslos emporgereckte Nase und Owens harte, gestrenge Miene, Schnelljustiz, noch nie war ein Künstler von Thanatopsis House wegen eines Bagatelldiebstahls hinausgeflogen – aber Moment mal. Sie konnte sich Irving in die Arme werfen, ja, ja, und so tun, als sei sie deshalb hergekommen – und dann hörte sie plötzlich das laute Quietschen der Badezimmertür gegenüber und wusste, dass sie gerettet war. Sie atmete tief durch, wartete noch, bis der Riegel im Bad umgelegt wurde, und öffnete die Tür erneut. Niemand in Sicht. Sie trat in den Gang hinaus und schloss die Tür hinter sich.
    Genau in diesem Augenblick bog Detlef Abercorn um die Ecke. Er hatte Kopfhörer auf, deren Kabel zu einem Walkman in seiner Hemdtasche führten, und er rannte Ruth fast um, ehe sie reagieren konnte. »Oh, oha, hallo«, sagte er, etwas zu laut, und zog sich den Kopfhörer von den Ohren, in einer so automatischen Bewegung, dass es aussah wie ein nervöser Tic.
    Ruth presste sich die Mülltüte gegen die Brust und grinste verschreckt.
    Er grinste zurück, streckte einen langen Arm aus und lehnte sich lässig gegen den Türrahmen. Sie bemerkte, dass er ihr in die Bluse spähte. »Hab ich Ihnen schon gesagt, dass mir unsere Unterhaltung neulich Abend wirklich sehr viel Spaß gemacht hat? Ich finde, Sie sind sehr –« er zögerte, und sie hörte eine blecherne Stimme in seinem Kopfhörer wispern, »– sehr sexy. Wirklich. Und ich dachte mir, ob Sie wohl – ich hab ja einen Wagen hier und so –, ob Sie wohl mal mit mir für einen Abend von der Insel wegfahren möchten – zum Beispiel heute Abend – und irgendwo nett was essen gehen oder so?«
    Jetzt befand sich Ruth auf vertrautem Terrain, und während der Schock des Entdecktwerdens allmählich verflog, gewann sie

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