Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
Vom Netzwerk:
Cheeseburger essen oder mit einer großen Einkaufstüte im Arm die Straße entlangschlendern, und niemand würde ihn auch nur zweimal ansehen. In dem Augenblick, als er das zweite Mittagessen vertilgt hatte, das endgültig letzte Mittagessen, machte er sich auf den Weg zu der Asphaltstraße, die ihn auf einen fernen, breiten, sonnenbeschienenen Highway und zu all den großartigen, vielsprachigen Städten im Land der Freien und Heim der Tapferen führen würde.

HINTER EINER GLÄSERNEN WAND
    »Also, Saxby, ich warne dich! Wenn auch nur ein Tropfen Wasser auf die Möbel kommt …«
    Noch keine Stunde stand das Aquarium da, und schon füllte Saxby es mithilfe eines grünen Gartenschlauchs aus Plastik, der sich durch das offene Fenster hereinschlängelte. Das Aquarium war um fünfzehn Zentimeter zu lang, und als er und Owen um die enge Biegung im Korridor vor seinem Schlafzimmer einfach nicht herumgekommen waren, hatten sie es im Salon seiner Mutter auf die Fensterbank gestellt. Die Fensterbank selbst hatte er mit einer doppelten Lage dicker Plastikfolie abgedeckt, aber Septima sorgte sich um ihren Hepplewhite-Highboy, der direkt links davon stand, und um das dreihundert Jahre alte Mahagoni-Sideboard, das sich rechter Hand im Würgegriff der Tapete versteckte. »Ach was«, sagte er beschwichtigend, »ich würde doch in diesem Haus nie etwas kaputt machen, das weißt du doch.« Dabei hielt er mit der einen Hand den Schlauch, mit der anderen arrangierte er seine Unterwassereinrichtung – die Steine, die er eigenhändig aus dem Hafendamm gebrochen und dann stundenlang in den gewaltigen Kesseln der Küche von Thanatopsis House gekocht hatte, um unerwünschte Algen und Bakterien abzutöten, und die langen, nassen Strähnen von Tigerlotus, Laichkraut, Tausendblatt und Rotweiderich, die er vom Lake Okefenokee mitgebracht hatte. »Teufel noch mal, ich werd doch nicht mein eigenes Erbe ruinieren, oder?«
    »Saxby, hör schon auf damit«, fauchte sie zurück, mit einem Grinsen, das ihre langen fossilierten Zahnhälse freilegte. Sie liebte es, wenn er von seinem Erbe sprach, auch wenn er darüber Witze machte. Mehr als alles andere wünschte sie sich – und auf dem Totenbett wollte sie es ihn schwören lassen –, er würde nach ihr das Haus übernehmen, an ihrer Stelle den Gang der Dinge in der Künstlerkolonie überwachen und ein langes, ertragreiches Leben in der Gesellschaft jener brillanten Menschen führen, die Thanatopsis House auch in ferner Zukunft noch ihr Zuhause würden nennen dürfen.
    »Aber ganz im Ernst, Mama – es wird wunderschön, wenn ich fertig bin. Wirst schon sehen.«
    Septima war in der endlosen Weite eines chintzbezogenen Lehnsessels versunken, die Füße auf eine dazu passende Ottomane gebettet, ihre Lektüre – eine Buchclub-Ausgabe über die Geschichte der Reispapierherstellung im zwölften Jahrhundert in der Provinz Wu Chan – lag aufgeklappt in ihrem Schoß. »Das weiß ich doch, mein Lieber«, sagte sie, und dabei stahl sich ein leises, geistesabwesendes Zittern in ihre Stimme, als holten sie gerade, für einen Moment nur, das Alter und die Gebrechlichkeit ein, »aber dieser Highboy da ist unbezahlbar, einfach unbezahlbar, und ich weiß noch genau, wie deine Großmutter Lights damals gesagt hat –«
    In diesem Augenblick drehte er sich zu ihr um, das Wasser troff ihm von den Fingerspitzen, die Ärmel hatte er bis über die Ellenbogen aufgerollt, und sah sie mit einem so breiten Lächeln an, dass sie mitten im Satz abbrach.
    »Was ist?«, fragte sie lächelnd. »Worüber lachst du?«
    »Über dich«, sagte er. »Du behandelst mich, als wäre ich wieder sechs Jahre alt – und glaub mir, ich hätte auch gar nichts dagegen, wenn du mir wie damals wieder jeden Morgen Honigbrote und Maiskuchen machen und mich am Abend ins Bett bringen würdest.«
    Seine Mutter antwortete nicht, aber er wusste, dass es ihr einen Riesenspaß bereitete, sich ihren groß gewachsenen, athletischen Sohn von neunundzwanzig Jahren als aufgeregten kleinen Jungen vorzustellen, der auf seinen Patschfüßen durch die Gegend stolperte und nie genügend Maiskuchen kriegen konnte, der zu ihr aufblickte, als fände er in ihren Augen die Antwort auf alle Fragen des Universums, und der ihr Schritt für Schritt durch die Tage, Wochen und Monate ihrer früheren, weniger komplizierten Lebensjahre folgte. Nach einer Weile wandte er sich wieder dem Aquarium zu, rückte den Schlauch zurecht, regelte den Filterdurchlauf und bedeckte die

Weitere Kostenlose Bücher