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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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barg natürlich mehrere Probleme. Erstens schien es schon eine unüberwindbare Schwierigkeit, sie auch nur lange genug vom Reden abzuhalten, um ihr diesen Vorschlag zu unterbreiten. Und was sollte er ihr sagen – dass er ein Verbrecher, ein Gesetzloser, ein Vandale war? Dass er gar nicht Seiji hieß? Außerdem: Wo war überhaupt das Festland? Vom Pool aus sah er nichts als das offene Meer, idyllisch, endlos und blau, ein Meer, das über den Buckel der Welt hinwegschwappte und die Küsten Afrikas umspülte. Und hinter dem Haus stand ein anderes Haus, und dahinter noch ein Haus, und dann kam der Sumpf.
    Ein Boot, dachte er. Vielleicht konnte er sich irgendwo ein Ruderboot, einen kleinen Katamaran oder eine Jolle ausleihen, irgendetwas. Wie weit mochte das Festland entfernt sein? Er dachte an dieses theoretische Boot, an die Chance, die ihm die Wellen boten, und an den gärenden, nach Jauche stinkenden Morast, der bestimmt eine Barriere vor diesem ersehnten Festland bildete, als er sich plötzlich beobachtet fühlte. Er blickte auf, und da stand er, jener Mensch, dem er am allerwenigsten begegnen wollte.
    Aber nein, es war ein böser Traum. Er halluzinierte. Es konnte nicht sein. Dann aber bewegte sich die Halluzination, und er wusste, dass er keineswegs träumte. Der Neger, der Kannibale, der Wahnsinnige, der auf ihn geschossen hatte, als er wehrlos und hungrig und halb ertrunken gewesen war, war so real wie die Sonne am Himmel. Schlimmer noch: Er hatte eine Waffe in der Hand – ein Kendo-Schwert –, und er kam auf ihn zu, mit rollenden Augen, der Mund ein schwarzes Loch, in dem sein Gesicht geradezu verschwand. Hiro war von Ehrfurcht ergriffen. Entsetzt. Dieser Mann sah gar nicht aus wie ein Mensch – er war ein Besessener, direkt aus der Hölle –, und er krümmte sich und keuchte und stieß einen Fluch aus, in dem heiseren, belegten Tonfall der Schamanen und Hexenmeister.
    Dann schoss Hiro hoch. In Jōchōs sämtlichen Werken stand nichts, was ihn hierauf vorbereitet hätte. Er warf noch einen Blick auf den dämonischen Neger, der jetzt wütete und tobte und auf die Erde einschlug, dann hatte er seine Kleider zusammengerafft und setzte über den Zaun wie ein Hürdenläufer. Er sah sich kein einziges Mal um – spürte nicht einmal, dass seine Füße den Boden berührten. Drei weite Sätze, dann hatte er den Garten hinter sich, sprang über einen weiteren Zaun ins Nachbargrundstück, wo eine Frau, deren Nase mit einer obszönen Schmiere bedeckt war, aus ihrem Liegestuhl hochfuhr und einen Schrei ausstieß, der wie ein wirbelnder Tomahawk die Luft durchschnitt, und dann war er schon auf dem nächsten Grundstück, wo er sich einer Meute Hunde von Plüschtiergröße erwehren musste. Er rannte weiter. Zwischen herumstehenden Gartenmöbeln hindurch, über Terrassen, über Lattenzäune, Ziegelmauern und Maschendrahthindernisse flog er hinweg, als wäre er zum Hürdenläufer geboren. Stimmen schrien auf ihn ein, aber er achtete nicht darauf. Aus dem Schatten sprangen ihm Hunde mit gesenkten Köpfen in den Weg, und von überall hallte plötzlich ihr Bellen, Knurren und wahnsinniges, übergeschnapptes Heulen wider. Er rannte weiter.
    Irgendwann, als er atemlos und in panischer Furcht eine kunstvoll angelegte Anhöhe hinaufhetzte und Hals über Kopf durch eine Gruppe von Zierkiefern brach, ließ ihn das erste, noch ferne Heulen von Sirenen erschauern. Jetzt jagten sie ihn. Tief geduckt, immer in der Deckung der Bäume bleibend, erreichte er den Scheitelpunkt der Anhöhe, wo er feststellte, dass sein Fluchtweg von einer hohen, groben Stuckmauer abgeschnitten wurde. Es war eine amerikanische Mauer, protzig, aber aus minderwertigem Material, der Verputz blätterte wie blasige Haut in großen Fladen ab. Sie war an die drei Meter hoch, mindestens. Er presste sich flach gegen die raue Wand und versuchte seinen Atem zu beruhigen, während das Pandämonium der Umgebung so sehr in seinen Ohren dröhnte, dass es das ferne Brausen der Brandung übertönte. Er fühlte sich nackt. Verletzlich. Verloren. Es gab keine andere Möglichkeit, als hinüberzuklettern und das Beste zu hoffen.
    Es war eine Kleinigkeit. Er kletterte hinüber. Als er auf der anderen Seite hinabsprang, war er wieder in einem Garten: üppig, verwildert, verlassen. Es gab einen Swimmingpool und eine kleine Umkleidekabine. Von Weitem zu hören: Schreie, Gebell, das Heulen von Sirenen. Gewandt, geräuschlos, mit dem lautlosen, sicheren, athletischen Schritt des

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