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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vor ihm.
    Aber er war nicht ganz so schnell wie er. Jedenfalls nicht schnell genug.

    Es dauerte eine halbe Stunde, bis Lasse Rotbart starb. Die steinernen Kiefer des Teufelsmaules, in das sich der Durchgang verwandelt hatte, waren nicht kraftvoll genug gewesen, seinen Brustharnisch zu durchdringen. Das steinharte Leder hatte standgehalten; Lasses Körper nicht. Er hatte keine äußerlichen Verletzungen, sah man von ein paar Kratzern und Hautabschürfungen ab, aber in seinem Inneren war etwas zerbrochen. Er war bei Bewußtsein, redete jedoch wie im Fieber, und ab und zu hustete er qualvoll und spuckte Blut.
    Der Wikinger war das einzige Opfer der Todesfalle geblieben. Fast, als hätte der Geist dieser unseligen Stadt das Blutop-fer bekommen, das er verlangte, hatte sich das gräßliche Maul mit einemmal wieder in kalten, leblosen Stein zurückverwandelt; die Öffnung war stabil geblieben, und Setchatuatuans Männer hatten sie ungefährdet passieren können. Ich nahm von alledem kaum etwas wahr. Ich hatte versucht, etwas für den Wikinger zu tun, aber ich war machtlos; seine Verletzungen waren zu schwer. Vermutlich hätte niemand den Wikinger mehr retten können, und vermutlich hätte er es auch gar nicht gewollt. Ich mußte daran denken, wie er mich gebeten hatte, ihn mitzunehmen in das Land, aus dem ich gekommen war, und ich glaubte erst jetzt wirklich zu verstehen, was in ihm in den letzten Stunden und Tagen vorge-gangen war.
    Er hatte die letzten Jahre nur für seine Rache gelebt, aber wenn sie einmal vollzogen war, wäre er nur noch ein Fremder in einem fremden Land gewesen, ein Mann, der unendlich weit von seiner Heimat entfernt und wohl auch unendlich einsam gewesen wäre.
    Vielleicht, dachte ich, während ich neben dem Sterbenden kniete und die Hand auf seine fiebernde Stirn preßte, wäre er sogar zufrieden gewesen, daß es so gekommen war,
    wenn er sich auch sicher ein anderes Ende gewünscht hätte.
    Dieser rauhe, harte Mann hatte niemals Angst vor dem Tod gehabt, aber auf solche Art zu sterben war einfach unwürdig.
    Unwürdig und sinnlos.
    Lasse kam nicht noch einmal zu sich. Er starb schnell und so lautlos, daß ich eine Zeitlang gar nicht merkte, daß ich die Hand eines Toten hielt. Erst als Setchatuatuan mich leise an der Schulter berührte und wortlos auf Lasses erloschene Augen hinunterdeutete, erwachte ich aus meinen Gedanken und stand auf.
    »Wir sollten ihn … begraben«, murmelte ich.
    Setchatuatuan schüttelte den Kopf. »Das geht nicht«, sagte er leise. »Wir haben weder die Zeit noch die Möglichkeit dazu.«
    Ich sah mich stumm um. Die Halle, in der wir waren, bestand aus dem gleichen schwarzen Felsen wie der Rest dieses unterirdischen Labyrinthes. Ein Teil der Decke und eine der Seitenwände waren eingestürzt, und überall lagen Schmutz und Unrat, aber Setchatuatuan hatte recht, selbst wenn wir Werkzeuge und Zeit gehabt hätten, wäre es unmöglich gewesen, den Wikinger hier zu begraben. Vielleicht hätten wir Steine über den Leichnam häufen und ihn so vor den Ratten schützen können, doch selbst dazu fehlte uns die Zeit.
    Und mitnehmen konnten wir ihn nicht.
    »Laßt ihn dort liegen, wo er starb«, sagte Setchatuatuan. »Er hätte es nicht anders gewollt.«
    Ich nickte. Vermutlich hatte der Olmeke recht. Lasse war kein Mann gewesen, der Wert auf Zeremonien und große Gesten legte. »Er war ein tapferer Mann.«
    »Das war er«, antwortete der Olmekenprinz. In seinem Gesicht zuckte es, aber seine Stimme klang ruhig wie immer.
    »Wir waren Freunde. Und es hätte noch viel zu tun gegeben für ihn. Mein Volk braucht solche Männer.«
    Er ballte die Faust, und plötzlich huschte Zorn über seine Züge. »Es tut mir nur leid, daß er das Ende dieses Verräters Erickson nicht mehr miterleben kann«, fuhr er, mit veränderter Stimme, fort. »Aber ich werde ihn rächen, das schwöre ich.
    Ich werde Erickson eigenhändig töten, und wenn ich ihn bis ans Ende der Welt jagen müßte.«
    Ich sah ihn von der Seite an, erwiderte aber nichts. Irgend etwas sagte mir, daß es anders kommen würde.
    »Laß uns gehen«, sagte ich. »Wir müssen irgendwie einen Weg hier heraus finden. Wenn Erickson die Wahrheit gesagt hat, führt diese Höhle ins Freie.«
    »Die Wahrheit?« Setchatuatuan lachte bitter. »Wahrscheinlich werden wir nur in eine weitere Falle laufen, wenn wir dem Weg folgen, den er uns genannt hat.«
    »Wir müssen es riskieren«, antwortete ich. Mein Blick saugte sich an den grauen Schatten im

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