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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Ich hatte fast Mühe, ihm zu folgen. Aber zumindest fand ich Gelegenheit, mir meinen Retter etwas aufmerksamer anzusehen.
    Er war ein Riese, nicht ganz so groß wie Hellmark, aber sehr viel breitschultriger und kräftiger, ein wahres Muskel-paket mit schulterlangem, dichtem Haar und einem breiten, sehr kräftigen, sehr harten, aber nicht unsympathischen Gesicht, und er war auf ähnliche Weise gekleidet wie Hellmark, in Kniehosen und schwere lederne Schnürstiefel, einen Brustharnisch aus steinhartem Leder und einen mächtigen Helm, der selbst für seinen Kopf um etliche Nummern zu groß schien. Alles in allem sah er aus wie eine wesentlich ältere, nicht ganz so große, doppelt so kräftige und dreimal so schmuddelige Kopie Hellmarks. Seinem Aussehen nach zu urteilen, mußte es ein paar Jahre her sein, daß er Wasser auch nur aus der Ferne gesehen hatte.
    Wir liefen fast eine Viertelstunde, ohne anzuhalten, und ich verlor schon nach wenigen Minuten hoffnungslos die Orientierung. Der Wald war so dicht, daß nicht der kleinste Lichtstrahl durch sein verfilztes Blätterdach brach, aber der Wikinger schien seinen Weg trotzdem mit untrüglicher Sicherheit zu finden. Mir fiel auf, daß er immer wieder nach oben sah, als suche er etwas.
    Schließlich erreichten wir eine Lichtung. Die Bäume bildeten hier ein weites, an der breitesten Stelle knapp zehn Meter messendes Oval, aber ihre ausladenden Kronen vereinigten sich auch über diesem freien Platz zu einem undurchdringlichen schwarzen Dach, so daß ich von den Männern, die in der Lichtung auf uns warteten, nur undeutliche Schatten erkennen konnte. Trotzdem sah ich, daß es sich zum Großteil um Indianer handelte, wahrscheinlich die, die zusammen mit dem Wikinger am Überfall auf die Pyramide beteiligt gewesen waren. Nur ein knappes halbes Dutzend der Männer trug die Rundschilde und Hörnerhelme der Wikinger.
    Der Riese blieb stehen, als wir die Lichtung erreicht hatten, und gebot mir mit einer herrischen Geste, neben ihm zu bleiben.
    »Lasse!« Eine der schattenhaften Gestalten löste sich aus der Gruppe und kam auf meinen Begleiter zu, blieb aber zwei Schritte vor ihm wie angewurzelt stehen und starrte mich mißtrauisch an. Ich sah, daß es sich um einen Indianer handelte. Er war nackt bis auf einen schmalen Lendenschurz, und sein Gesicht war unter der schreiend bunten Kriegsbemalung, die er aufgetragen hatte, kaum zu erkennen. Trotzdem sah ich, daß er noch sehr jung war, kaum älter als zwanzig.
    »Wer ist das?« fragte er mit einer herrischen Geste auf mich.
    Ich wollte antworten, aber Lasse warf mir einen raschen, warnenden Blick zu.
    »Der Bursche, der auf dem Opferstein lag«, sagte der Wikinger. »Erkennst du ihn nicht,?«
    Der Indianer nickte. »Doch«, sagte er unwillig. »Aber was sucht er hier? Wir haben keinen Platz für Kinder.«
    Kinder? dachte ich verblüfft. Ich hatte mich ja schon halbwegs daran gewöhnt, von Hellmark kleiner Mann und von Lasse Junge genannt zu werden, aber dieser Indianer mit dem zungenverknotenden Namen war keinen Tag älter als ich!
    Lasse zuckte mit gespieltem Gleichmut mit den Achseln.
    »Er ist mir gefolgt«, sagte er. »Ich konnte ihn schlecht zurücklassen, oder? Leif Erickson hätte ihn umgebracht.«
    »Trotzdem«, sagte Setchatuatuan. »Er muß gehen.«
    »Streiten wir uns später darüber«, sagte der Wikinger leicht-hin. »Er ist nun einmal hier, und im Moment kann er uns kaum schaden. Wie ist der Kampf verlaufen? Hast du viele Krieger verloren?«
    Setchatuatuan lachte rauh. »Nur drei, Freund Lasse. Diese Memmen sind keine Gegner für meine Krieger, schon gar nicht, wenn wir so tapfere Verbündete wie dich und deine Männer haben. Aber wir müssen weiter. Quetzalcoatl wird rasen vor Wut, wenn er sieht, was geschehen ist.«
    Verblüfft stellte ich fest, daß er von dem alten Aztekengott wie von einem lebenden Wesen sprach. Nein, es bestand wohl kein Zweifel daran, daß ich mich in einer Zeit befand, in der die Welt noch mit anderen Maßstäben gemessen wurde. Lasse grinste. »Das soll er ja gerade. Vielleicht trifft ihn der Schlag, vor lauter Wut.«
    Ich war mir nicht sicher, aber ich hatte das Gefühl, für einen winzigen Moment Zorn in den Augen des jungen Indianers aufblitzen zu sehen. Aber der erwartete Ausbruch blieb aus.
    »Wir müssen weiter«, sagte er statt dessen. »Wir sind hier nicht sicher. Die Krieger, die noch nicht zurück sind, werden sich in den Höhlen von Tucan mit uns treffen. Du und deine Männer, ihr

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