Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Jaguar herab. Das Tier stand reglos da, aber in seinem Blick war etwas, das mich verdächtig an ein spöttisches Glitzern erinnerte. Ich kam mir immer mehr wie eine Marionette vor, die sich nur einbildete, einen freien Willen zu haben.
    Und als hätte er meine Gedanken erraten und wollte sie bestätigen, drehte sich der Jaguar in diesem Moment herum und begann in die Richtung zu gehen, aus der die Geräusche der Schlacht drangen.

    Der Kampf war noch in vollem Gange, als ich auf die Lichtung hinaustrat, aber sein Ende war abzusehen. Setchatuatuan, Lasse Rotbart und ihre Krieger hatten sich am Fuße des Felsenhügels zu einem Halbkreis formiert und wehrten sich verzweifelt gegen die Angreifer.
    Aber ihre Lage war aussichtslos. Nur ein Teil der Olmeken, die Leif Erickson gegen sie aufgeboten hatte, beteiligte sich an dem Kampf; die meisten standen entlang des Waldrandes und auf dem Hügel verteilt da und warteten auf das Ende der ungleichen Auseinandersetzung. Die Hälfte von Setchatuatuans Männern war bereits tot, und die anderen sahen sich einer erdrückenden Übermacht gegenüber.
    Ich blieb einen halben Schritt hinter dem Waldrand stehen.
    Einer der Olmeken-Krieger, die Erickson rings um die Lichtung aufgestellt hatte, um jeden Fluchtversuch von Setchatuatuan und seinen Kriegern von vornherein zu vereiteln, fuhr mit einer erschrockenen Bewegung herum und hob seine Waffe.
    Aber er führte die Bewegung nicht zu Ende. Ich sah, wie sich der Ausdruck in seinen Augen von Schrecken in Überraschung und dann in Furcht wandelte, als sein Blick auf die gewaltige schwarze Raubkatze fiel, die mich begleitete.
    Eine halbe Sekunde lang stand der Mann wie gelähmt da.
    Dann ließ er seine Waffe fallen, stieß einen spitzen, gellenden Schrei aus und floh in panischer Angst.
    Und er war nicht der einzige!

    Sein Schrei hatte die Aufmerksamkeit anderer Krieger geweckt, aber so wie er erstarrten sie vor Schreck und Überraschung, als sie den dunkelhaarigen Fremden in Begleitung ihres heiligen Tieres aus dem Wald treten sahen. Ein vielstimmiger Schrei breitete sich wie eine akustische Welle über den Platz aus, erreichte die Kämpfenden und ließ auch sie aufsehen und erstarren; die Männer flohen oder schleuderten ihre Waffen fort und sanken auf die Knie.
    Ich trat entschlossen ein paar Schritte vor und blieb abermals stehen.
    »Hört auf!« rief ich mit erhobener Stimme. »Beendet dieses sinnlose Töten!«
    Trotz des Höllenlärmes schien meine Stimme überall auf der Lichtung deutlich vernehmbar zu sein. Die Indios, die bisher noch keine Notiz von meinem Auftauchen genommen hatten, fuhren herum und starrten mich an, und wieder glaubte ich eine Welle des Schreckens durch die Reihen der Krieger laufen zu sehen.
    Auch die Olmeken, die auf Setchatuatuan und seine Rebellen eindrangen, ließen abrupt von ihren Opfern ab und starrten zu mir herüber. Innerhalb weniger Augenblicke kam das Hand-gemenge vollkommen zum Erliegen.
    Ich fing einen gleichermaßen ungläubigen wie erleichterten Blick von Setchatuatuan auf. Der junge Olmeken-Häuptling wankte vor Erschöpfung. Sein nackter Oberkörper war mit Blut verschmiert, und in seiner Schulter und seiner Brust klafften häßliche, tiefe Schnitte. Es grenzte fast an ein Wunder, daß er überhaupt noch die Kraft hatte, auf den Beinen zu stehen und zu kämpfen. Langsam schritten die Raubkatze und ich auf den freien Platz vor dem Hügel zu. Die Olmeken wichen Schritt für Schritt vor uns zurück und bildeten eine breite freie Gasse zwischen dem Waldrand und dem Platz, an dem sich Setchatuatuan und seine Rebellen zu ihrem letzten Gefecht zusammengedrängt hatten.
    Plötzlich war es still, so geisterhaft still, daß ich das Ge-räusch des Windes in den Baumwipfeln wie ein leises Flüstern hören konnte. Hunderte von Augenpaaren starrten mich an, und in jedem stand das gleiche Gefühl geschrieben: Schrecken und Angst, aber auch Ehrfurcht.
    »Legt die Waffen nieder«, sagte ich laut. »Der Kampf ist vorüber.«
    Meine Stimme zitterte unmerklich, während ich die Worte aussprach. Ich spielte hoch, sehr hoch, aber ich hatte keine andere Wahl. Entweder erkannten die Indios mich wirklich als Gott an und gehorchten, oder sie taten es nicht, und dann war sowieso alles verloren.
    Ein Teil der Krieger gehorchte. Waffen wurden zu Boden geworfen oder in die Gürtel zurückgeschoben, und einige sanken sogar auf die Knie und neigten angstvoll das Haupt.
    Andere zögerten, aber ich spürte, daß es nicht aus

Weitere Kostenlose Bücher