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Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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seufzt«, stellt Johan Jönson fest und stoppt die Wiedergabe.
    »Sollten diese Spitzen hier nicht übereinanderliegen«, will Joona wissen und zeigt auf drei der entfernten Kurven auf dem kleinen Schirm.
    »Nein, das ist nur ein Echo, das ich weggenommen habe«, antwortet Johan, wird dann jedoch nachdenklich. »Aber ich könnte ehrlich gesagt einmal ausprobieren, alles außer dem Echo wegzunehmen.«
    »Er könnte sich zur Wand gedreht haben«, sagt Joona schnell.
    Johan Jönson holt die Kurven mit dem Echo zurück, erhöht den Schalldruckpegel und die Schallintensität dreihundert Mal und spielt den Loop erneut ab. Jetzt hört sich der schlurfende Laut an wie ein bebendes Ausatmen, wenn er knapp unter der authentischen Geschwindigkeit wiederholt wird.
    »Ist da etwas?«, fragt Joona mit neuer Konzentration.
    »Könnte sein«, flüstert Johan Jönson.
    »Also ich höre da nichts«, sagt Corinne.
    »Es klingt nicht mehr wie ein Seufzen«, gibt Johan Jönson zu, »aber mehr können wir nicht tun, denn auf diesem Niveau vermischen sich die Longitudinalwellen mit den Transversalwellen … und weil sie verschieden schnell sind, werden sie sich gegenseitig überlagern …«
    »Versuch es trotzdem«, sagt Joona ungeduldig.

124
    Johan Jönson spitzt die Lippen, so dass er August Strindberg ähnlich sieht, während er die Partitur aus fünfzehn verschiedenen Kurven studiert.
    »So kann man das eigentlich nicht machen«, murmelt er.
    Mit viel Fingerspitzengefühl verschiebt er Kurven und verlängert manche Spitzen zu Plateaus.
    Er lässt den Loop probehalber laufen, und im Raum erklingen seltsame Unterwassergeräusche. Corinne hat die Hand auf den Mund gelegt. Johan Jönson stoppt den Loop, ändert noch ein paar Dinge, zieht manche Teile auseinander und spielt das Ergebnis wieder ab.
    Auf Nathan Pollocks Stirn bilden sich Schweißperlen.
    Es grollt tief in den großen Lautsprechern, und danach hört man ein in schwache Silben aufgeteiltes Ausatmen.
    »Hört euch das an«, sagt Joona.
    Sie hören einen langsamen Seufzer, der unbewusst von einem Gedanken geformt wird. Jurek Walter benutzt nicht seine Stimmbänder, bewegt beim Ausatmen aber offenbar Lippen und Zunge.
    Johan Jönson verschiebt eine der Kurven minimal und steht mit einem erregten Lächeln von seinem Stuhl auf, während der Loop mit dem Flüstern in einer Endlosschleife läuft.
    »Was sagt er?«, fragt Nathan Pollock mit angespannter Stimme. »Hört sich das nicht fast wie Lenin an?«
    »Leninsk«, sagt Corinne mit aufgerissenen Augen.
    »Wie bitte?«, schreit Pollock fast.
    »Es gibt eine Stadt namens Leninsk-Kusnezki«, sagt sie. »Aber da er unmittelbar danach von dem roten Lehm spricht, glaube ich, dass er die geheime Stadt meint.«
    »Eine geheime Stadt?«, murmelt Pollock.
    »Das Kosmodrom in Baikonur ist heute natürlich weltberühmt«, erläutert sie, »aber vor fünfzig Jahren hieß die Stadt Leninsk und war streng geheim.«
    »Leninsk in Kasachstan«, sagt Joona ganz leise. »Jurek Walter hat eine Kindheitserinnerung an Leninsk …«
    Corinne setzt sich mit geradem Rücken an den Tisch, streicht eine Haarsträhne hinter ihr Ohr und setzt zu einer Erklärung an:
    »Kasachstan gehörte damals ja zur Sowjetunion … und lag so abgelegen, dass man dort eine ganze Stadt errichten konnte, ohne dass die restliche Welt etwas davon bemerkte. Es war die Epoche des Wettrüstens zwischen Ost und West, und man benötigte Raketenbasen und Forschungsanlagen.«
    »Jedenfalls ist Kasachstan Interpol angeschlossen«, bemerkt Nathan Pollock.
    »Wenn sie uns Jurek Walters richtigen Namen geben, können wir seine Spur verfolgen«, sagt Joona. »Dann kann die Jagd beginnen.«
    »Unmöglich ist es nicht«, sagt Corinne. »Ich meine, jetzt haben wir einen Ort und einen ungefähren Zeitpunkt für seine Geburt. Wir wissen, dass er 1994 nach Schweden gekommen ist. Wir haben Bilder von ihm, wir haben die Narben an seinem Körper dokumentiert und …«
    »Wir haben sogar seine Blutgruppe und seine DNA«, wirft Pollock lächelnd ein.
    »Jureks Familie gehört entweder zur kasachischen Bevölkerung in dieser Gegend oder zu den Forschern, Ingenieuren, Militärangehörigen, die aus Russland dorthin geschickt wurden …«
    »Ich stelle das notwendige Material zusammen«, sagt Pollock schnell.
    »Dann versuche ich, die NSC in Kasachstan zu erreichen«, sagt Corinne. »Joona? Sollen wir versuchen …«
    Sie verstummt und sieht ihn fragend an. Joona steht langsam auf, begegnet ihrem

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