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Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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Reidar und packt den Mann am Pullunder.
    »Bitte«, fleht der Alte und zieht die Schlüssel aus seiner Hosentasche.
    Reidar reißt sie an sich, läuft hinunter und weint, als er die Stahltür öffnet und zwischen den einzelnen Kellerverschlägen hindurchrennt.
    »Felicia!«, ruft er.
    Er hustet, läuft an den Gitterwänden entlang und ruft nach seiner Tochter, aber es ist niemand da, so dass er wieder nach oben eilt. Seine Brust beginnt zu schmerzen, aber er hastet trotzdem in die nächste Etage hinauf und tritt dort gegen die Tür. Er öffnet den Briefeinwurf, ruft nach Felicia, läuft ins nächste Stockwerk und klingelt an der Tür. Es riecht nach Feuchtigkeit und morschem Holz.
    Schweiß läuft ihm den Rücken hinunter, und das Atmen fällt ihm zunehmend schwer.
    Eine junge Frau mit rot gefärbten Haaren hat die Tür geöffnet, und Reidar zwängt sich wortlos an ihr vorbei.
    »He, verdammt, was soll denn das!«, schreit sie.
    »Felicia!«
    Ein Mann mit Lederweste und langen schwarzen Haaren hält Reidar auf und stößt ihn zurück. Reidars Arm schlägt aus und reißt einen Wandkalender herunter. Er versucht noch einmal, an dem Mann vorbeizukommen, der ihm daraufhin jedoch einen so harten Stoß versetzt, dass Reidar über Schuhe und Postwurfsendungen stolpert und auf den Rücken fällt. Sein Hinterkopf schlägt auf die Türschwelle, er verliert für einige Sekunden das Bewusstsein, rollt sich dann auf die Seite und hört die Frau schreien, dass sie die Polizei rufen müssen.
    Reidar steht auf, fällt fast wieder hin, zieht dabei einen Mantel von einem Haken, murmelt eine Entschuldigung und wendet sich der Wohnung zu.
    »Sie müssen mich hereinlassen«, sagt er und wischt sich Blut vom Mund.
    Der Mann mit den langen schwarzen Haaren hält mit beiden Händen einen Hockeyschläger und starrt ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
    »Felicia«, flüstert Reidar und spürt, dass ihm Tränen in die Augen steigen.
    »Ich habe sie, aber sie ist ein bisschen krank«, sagt hinter seinem Rücken eine Frau.
    Reidar fährt herum und sieht eine alte Frau mit blonder Perücke und rot geschminkten Lippen. Sie steht in dem dunklen Treppenhaus zwei Stufen tiefer und hält eine getigerte Katze im Arm.
    »Was haben Sie gesagt?«, fragt er.
    »Sie haben nach Felicia gerufen«, erwidert sie lächelnd.
    »Meine Tochter …«
    »Sie hat mein Essen geklaut.«
    Er nähert sich der Frau auf der Treppe. Sie hat eine wütende Falte auf der Stirn, hält die getigerte Katze vor sich hoch, und er sieht, dass das Genick der Katze gebrochen ist.
    »Felicia«, sagt die Frau. »Als ich einzog, war sie in der Wohnung, und ich habe mich um sie gekümmert und …«
    »Um die Katze?«
    »Auf ihrem Halsband steht Felicia …«

142
    Das Unbehagen nach dem nächtlichen Besuch des Arztes ist wie Regen, der über ein Fenster rinnt – das Gefühl ist nicht sehr nah, hält sie aber trotzdem gefangen.
    Die Medikamente schirmen Saga auf eine seltsame Art von der Wirklichkeit ab, dennoch spürt sie intensiv, dass man sie bald enttarnen wird.
    Wäre ich wirklich im Tiefschlaf gewesen, hätte dieser Arzt mich vergewaltigt, denkt sie. Ich kann nicht zulassen, dass er mich noch einmal berührt.
    Sie braucht nur noch ein bisschen mehr Zeit, um ihren Auftrag zu Ende zu führen. Mittlerweile ist sie ihrem Ziel ganz nahe. Jurek Walter spricht mit ihr über die Flucht. Und wenn man sie nicht enttarnt, wird er ihr schon bald einen Ort, einen Hinweis oder irgendetwas geben, was sie zu Felicia führt.
    Gestern war er kurz davor, es zu tun. Vielleicht ist es heute so weit.
    Hauptsache, das Mikrofon funktioniert.
    Immer wieder ist es der Gedanke an Felicia, der Saga hilft.
    Sie wird sich auf ihre Aufgabe konzentrieren, ohne sich selbst zu bemitleiden.
    Sie wird das eingesperrte Mädchen retten.
    Die Regeln sind einfach. Sie darf unter gar keinen Umständen Jurek Walter zur Flucht verhelfen. Dagegen ist es ihr gestattet, mit ihm zusammen den Ausbruch zu planen, sie darf sich für seinen Plan interessieren und Fragen stellen.
    Das häufigste Problem bei Fluchtversuchen besteht darin, dass man nirgendwo hin kann, wenn man erst einmal draußen ist. Diesen Fehler macht jemand wie Jurek Walter nicht. Er weiß genau, wohin er gehen wird.
    Das Schloss der Tür zum Aufenthaltsraum surrt. Saga steht aus dem Bett auf, rollt mit den Schultern wie vor einem Kampf und verlässt ihr Zimmer.
    Jurek Walter steht an der gegenüberliegenden Wand und erwartet sie. Sie begreift nicht, wie er

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