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Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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wurden zwar nie völlig eingestellt, verliefen jedoch auf Sparflamme.
    Joona weigerte sich aufzugeben, aber es gab einfach zu wenige Puzzleteile und die wenigen Spuren führten ausnahmslos in Sackgassen. Obwohl sie Jurek Walter gestoppt hatten und er verurteilt worden war, wussten sie im Grunde nicht mehr über ihn als vorher.
    Er blieb ein Rätsel.
    An einem Freitagnachmittag zwei Monate nach dem Prozess saßen Joona und Samuel im Il Caffè in der Nähe des Präsidiums und tranken einen doppelten Espresso. Inzwischen bearbeiteten sie längst andere Fälle, trafen sich aber regelmäßig, um über Jurek Walter zu sprechen. Viele Male hatten sie die Ermittlungsakten bereits durchforstet, aber nichts gefunden, was darauf hingedeutet hätte, dass er einen Komplizen gehabt habe könnte. Allmählich verkamen die Geschehnisse zu einem Running Gag zwischen ihnen, wann immer sie unschuldige Menschen verdächtigten – bis dann das Grauenvolle geschah.

28
    Samuels Handy surrte neben der Espressotasse auf dem Tisch. Auf dem Display erschien ein Foto seiner Frau Rebecka mit der tränenförmigen Pupille. Joona lauschte zerstreut dem Gespräch, während er sich Hagelzuckerstücke von seiner Zimtschnecke in den Mund schob. Rebecka und die Jungen wollten offenbar etwas früher als ursprünglich geplant zur Insel Dalarö hinausfahren, und Samuel meinte, er könne unterwegs einkaufen gehen. Er bat sie, vorsichtig zu fahren, und beendete das Telefonat mit einer Kaskade schmatzender Küsschen.
    »Der Schreiner, der unsere Veranda repariert, möchte, dass wir uns möglichst bald die Holzvertäfelung anschauen«, erklärte Samuel. »Wenn er fertig ist, könnte der Maler wohl schon dieses Wochenende kommen.«
    Joona und Samuel kehrten in ihre Büros in der Landeskriminalpolizei zurück und sahen sich an diesem Arbeitstag nicht mehr.
    Als Joona fünf Stunden später mit seiner Familie beim Abendessen saß, rief Samuel an. Er keuchte und sprach so erregt, dass er kaum zu verstehen war, aber Joona verstand immerhin so viel, dass Rebecka und die Kinder sich nicht in dem Haus auf Dalarö befanden. Sie waren nicht dort gewesen und gingen auch nicht an ihre Handys.
    »Dafür gibt es sicher eine Erklärung«, versuchte Joona, Samuel zu beruhigen.
    »Ich habe mit allen Krankenhäusern und mit der Polizei gesprochen und …«
    »Wo bist du jetzt?«, erkundigte sich Joona.
    »Ich bin auf dem Dalarövägen, aber ich fahre wieder zum Haus zurück.«
    »Wie kann ich dir helfen?«, fragte Joona.
    Auch wenn er selbst schon daran gedacht hatte, sträubten sich ihm die Nackenhaare, als Samuel antwortete:
    »Du könntest überprüfen, ob Jurek Walter ausgebrochen ist.«
    Joona rief augenblicklich in der gerichtspsychiatrischen Abteilung des Löwenströmschen Krankenhauses an, sprach mit Oberarzt Brolin und erfuhr, dass es im Sicherheitstrakt keine ungewöhnlichen Aktivitäten gegeben habe. Jurek Walter halte sich in seiner Zelle auf und werde rund um die Uhr isoliert.
    Als Joona Samuel zurückrief, klang die Stimme seines Freunds verändert, sie war gehetzt und schrill.
    »Ich bin jetzt im Wald«, schrie Samuel fast. »Ich habe Rebeckas Auto gefunden, es steht mitten auf dem kleinen Weg zur Landspitze, aber hier ist keiner, hier ist kein Mensch.«
    »Ich komme«, sagte Joona sofort.
    Die Polizei suchte intensiv nach Samuels Familie. Die Spur von Rebecka und den Kindern endete auf dem Kiesweg nur fünf Meter vor dem verlassenen Wagen. Die Hunde nahmen keine Witterung auf, liefen nur ziellos hin und her und drehten sich um sich selbst, fanden aber nichts mehr. Zwei Monate lang wurden Wälder, Straßen, Häuser und Gewässer abgesucht. Als die Polizei ihre Leute abgezogen hatte, machten Joona und Samuel auf eigene Faust weiter. Sie suchten verbissen und von einem Grauen erfüllt, das sich steigerte und fast unerträglich wurde. Keiner von ihnen wagte es noch auszusprechen, worum es bei ihrer Suche ging. Sie wagten nicht, in Worte zu fassen, welches Schicksal Joshua, Ruben und Rebecka wahrscheinlich ereilt hatte. Sie waren Zeugen von Jurek Walters Grausamkeit geworden.

29
    In dieser Phase plagte Joona eine solch furchtbare Angst, dass er nicht schlafen konnte. Er bewachte seine Familie, begleitete sie überall hin, holte und brachte sie, sorgte dafür, dass Lumis Vorschule besondere Vorsichtsmaßnahmen einhielt, wusste aber natürlich, dass dies auf Dauer nicht reichen würde.
    Joona war gezwungen, der Gefahr ins Auge zu blicken.
    Mit Samuel konnte er

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