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Der Sandner und die Ringgeister

Der Sandner und die Ringgeister

Titel: Der Sandner und die Ringgeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
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nachgesehen.« Die Frau klopft auf einen gelben Aktenordner, der vor ihr auf dem Tisch liegt.
    »Erzählen Sie uns, was für ein Typ der Dennis war«, wird sie vom Sandner ermuntert. Während die Giese den Toten beschreibt, vollzieht sich bei ihm ein mentaler Schöpfungsakt. Langsam taucht ein Wesen auf, als würde der Bursche aus dem Nebel ins Licht schreiten. Vor sich sieht er ihn, nicht als Geschundenen auf dem Friedhof, sondern in seiner Lebendigkeit. Der Sandner bekämpft die Traurigkeit, die mit diesem Prozess einhergeht. Alle Bilder haben einen schwarzen Rand. Er konzentriert sich auf das gesprochene Wort.
    Nicht unbeliebt wär der Dennis gewesen, aber ein verschlossener Einzelgänger. Kaum Freunde, kaum Außenkontakte, Konfliktpotenzial, aber keine Feinde. Zu unvermittelten Ausbrüchen neigend, doch sonst hätte er seine Gefühle hauptsächlich unter Verschluss gehalten. Der Alkoholabusus der Mutter und daneben ein verschlossener, magerer Junge. In eine unverständliche Welt geschubst und den Elementen ausgesetzt. Auf dem Ozean ist er getrieben, mit seiner Nussschale. Mal hierhin, mal dorthin.
    Wie der Sandner London ins Spiel bringt, ruckt die Leiterin auf dem Stuhl hin und her, fixiert den Aktendeckel. Da haben die Holzwürmer im Hintern rebelliert. Ihr Zeigefinger malt ein imaginäres Muster auf die Tischfläche. Weder das Haus vom Nikolaus noch ein Pentagramm. Nicht einmal ein Kreuz. Sie streckt den Rücken durch, schaut auf, ihr Mund lächelt den Sandner an.
    »Sehen Sie, Herr Sandner, der Dennis hat immer gern Musik gemacht, Schlagzeug gespielt, da ist er richtig aufgelebt. Unten im Keller haben wir einen Bandübungsraum mit allen Instrumenten, und der Dennis hat geübt wie ein Besessener. Eine normale Lehrstelle wäre bei ihm nicht infrage gekommen, das hat sich schon bei den Praktika abgezeichnet. Er hat das nicht durchgehalten, hat sich mit den anderen angelegt, blaugemacht, Krankheiten vorgeschoben ... schwierig.«
    »Ja, aber London ...«
    »Das war die Idee vom Herrn Auerhammer.«
    »Herr Auerhammer ist wer?«
    »Sehen Sie, seit Jahren werden wir von einer Stiftung, einem Förderverein, unterstützt, der HiZ e.V., Helfen ist Zukunft, der uns finanziell unter die Arme greift bei notwendigen Ausgaben, Anlegung eines neuen Spielplatzes zum Beispiel oder eben dem Bandübungsraum. Es ist ja so, dass der Etat eine Heimes mittlerweile eng begrenzt ist. Wir sind bei den Sparmaßnahmen nicht außen vor, ganz im Gegenteil, sodass es unabdingbar ist, Förderer, Stiftungen oder Spendengelder zu akquirieren. Da sind wir sehr, sehr dankbar.«
    »Und der Herr Auerhammer ist der Vorsitzende von HiZ e.V.?«
    »Besser gesagt, es liegt in Händen seiner Frau. Der Herr Auerhammer ist Bauunternehmer, und seine Frau hat es geschafft, dass sehr einflussreiche Leute aus der Stadt und dem Umkreis als Förderer für die Stiftung Spenden erbringen – und damit auch uns unterstützen.«
    »Zehntausend Euro im Jahr, ist das quasi normal?«
    »Nein, aber in diesem speziellen Fall hat der Herr Auerhammer das unterstützt und organisiert. Dennis’ Schicksal lag ihm am Herzen. In der ersten Zeit hat der Dennis dort in einer Gastfamilie gelebt, aber er ist direkt an seinem Achtzehnten umgezogen. Wir haben danach nicht mehr viel von ihm gehört. Natürlich haben wir uns gefreut über den Erfolg seiner Musikgruppe. Und London war ideal, gerade wegen der besonderen Verwicklungen hier. Um so tragischer jetzt ...«
    »Was für Verwicklungen?«
    »Ja, der Dennis hatte mit einem Mädchen von hier etwas angefangen.«
    Jetzt rutscht der Sandner im Sessel hin und her.
    »Etwas angefangen, wie meinens des – was ist da besonders?«
    »Dieser Fall ist leider schon besonders – sie ist schwanger geworden, die Janine und ...«
    »Und da wird er nach London geschickt? Ins Exil? Wär’s nicht besser gewesen ...?« Er lässt die Frage offen.
    Fuchtig scheint sie zu werden, die Frau Giese, ihre Wangen nehmen Farbe an. Offenbar nicht aus Holz. Da kann doch nicht jeder hier hereinspazieren und ihr erzählen wollen, was das Beste wäre. Malefizbua, ab in die Ecke! Vom strengen Blick wird der Sandner aufgespießt, wie ein Mistkäfer vom Entomologen. Er ist auch angemessen zerknirscht. Jetzt soll sie sich am Ende rechtfertigen, weil er als Gscheithaferl daherkommt. Da hat er die Gesprächsatmosphäre ohne Zwang ins Eisfach geschoben.
    Ihre Stimme wird augenblicklich frostig.
    Über fundierte fachliche Entscheidungen belehrt sie die Polizisten

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