Der Sandner und die Ringgeister
angebracht, aber das buchstäbliche Mitleiden sagt sich einfach daher und ist schwer getan. Der Sandner befindet sich in einem Schmerzuniversum, in das ihn niemand begleiten mag. In solch einer Situation zeigt es sich, welch Wunderwerk der menschliche Körper ist. Wie all die Nerven und Synapsen verdrahtet und verschaltet sind, bis hinauf zur Hirnrinde. Ein Wahnsinnsbauplan.
Nicht einmal schreien kann der Sandner.
Eine Straßenwalze rollt grad hin und her auf ihm und tunkt seine Fleischreste in glühenden Teer.
Er weiß nicht, wie lang er da im Gang vor sich hin gedämmert hat, als zusammengeschoppter Haufen Mensch.
Stad ist es, mucksmäuschenstad.
Nur das eigene Schnaufen hat er in den Ohren. Embryohaltung, Teppichflusen im Mund.
Von Gästen oder Personal keine Spur. Aufstehen mag er nicht probieren. Halb rollt er, halb kriecht er auf die Zimmertür vom van Leyden zu. Zwei verreckt lange Meter. Immer wieder nach Luft schnappen. Stechende Lenden. Ein Karpfen, der sich über den Teppich wälzt. Noch ein Meter. Er muss wissen, was mit dem Holländer ist.
Eine böse Ahnung hat er. Dafür musst du kein Prophet sein. Blut läuft ihm in die Augen, sein Blut. Es ist geschafft. Die Tür ist geschlossen. Er muss sich aufrichten. Brennende Hölle im Leib. Er beißt sich in die Lippe. Endlos kommt ihm die Zeit vor, bis er die Klinke herunterbekommt. Kruzifix, hoffentlich nicht abgesperrt – die Tür gibt nach. Als sie aufschwingt, fällt er mit einem Schmerzensschrei ins Zimmer. Kurz ist alles schwarz, dann erkennt er verschwommen den van Leyden vor sich.
Sie liegen beinahe Kopf an Kopf. Die Sonnenbrille ist an ihrem Stammplatz, ansonsten scheint der Manager weniger Glück gehabt zu haben. Reglos auf dem Bauch, den Kopf zur Seite gedreht. Wieder einer achtlos hingeworfen. Eine schmutzgraue Socke ist in seinen Mund gestopft, und die Hose ist heruntergelassen bis zu den Knien. Die Augen starren ins Leere, die Arme unter dem Leib verborgen.
Der Sandner hält den Atem an, lauscht.
»Van Leyden?«, stößt er dann hervor. Scheißdreck. Er hat das sichere Gefühl, der Boandlkramer hat gerade final die Sense geschwungen. Das Licht ausgedreht haben sie ihm, dem Langen, direkt vor seiner Nase. Himmelherrgott!
Er stemmt sich hoch und kramt auf Knien in den Jackentaschen nach seinem Handy. Während er die Tasten drückt, kann er den Blick nicht vom Holländer lassen. Die linke Arschbacke leuchtet rot, Hautfetzen ziehen sich um eine nässende Wunde, Pavianhintern. Drei Sätze bringt er noch heraus, dann taucht der Polizist in den Nebel der Bewusstlosigkeit ein.
»Da schickt er mich gestern glatt mit Bodyguard los, und selber lässt er sich zammschlagen! Wie krass ist das denn?«
Die Wiesner tobt. Um ihren Beifahrer schert sie sich nicht, der verkrampft auf die Straße starrt. Seine Fingernägel bohren sich in die Handballen.
»Schickt er zwei vom Trachtenverein hin, ganz bequem, wie es sich gehört? – Nein, der Sandner doch nicht. Selbst ist der Mann.«
»Schaug«, quiekt der Hartinger, wie ein Lastwagen seine Schnauze aus einer Einfahrt steckt.
Die Wiesner reagiert mit einem synchronen Druck auf Gaspedal und Hupe.
»Wenn der ernsthaft was abgekriegt hat, kann er was erleben!«
»Immerhin hat er ja selber anrufen können.«
»Was? Ach so, ja super.«
»Wenn es uns gut reinläuft, kriegen wir die Deppen über die Personenbeschreibung, Fahndung läuft eh schon, und vielleicht haben die alle beide umgebracht. Hätte also sein Gutes.«
»Den Weiß und den van Leyden? Das glaub ich erst, wenn ich einen Beweis seh. Mal schauen, was der Sandner sagt.«
»Wenn er klar im Kopf ist, meinst du.«
»Hauptsache, er hat ihn noch auf.«
Die Wiesner wollte grad mit der Vernehmung vom Sobotnik anfangen, als die Nachricht vom Hotel Sammert reingerauscht war. Ein Toter, Hauptkommissar Sandner schwer verletzt.
»Wenigstens duschen hätten Sie mich vorher noch lassen können«, war dem Sobotnik sein erster und letzter Satz gewesen, bevor sie aufgebrochen ist.
Alle sind sie da. Dem Sandner kommt’s vor, als hätte er zu einer zwanglosen Party ins Sammert geladen.
Der Polizeirat, der Aschenbrenner, sein Team, diverse Sanitäter, der Poschner mit den weißen Engeln und uniformierte Legionen. Im dritten Stock brummt es wie noch nie in der wenig glorreichen Historie des Hotels.
Sogar der Wenzel. Einen Anflug von Sorge hat der Sandner in seinem Gesicht gesehen. Das gute Haar will er ihm nicht lassen, Aversion ist wichtig, damit du
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