Der sanfte Hauch der Finsternis - Frost, J: Der sanfte Hauch der Finsternis - Destined for an early Grave (Night Huntress/ Cat & Bones 4)
zurechtgemacht und angezogen hatte, ging ich nach unten, wo ich die Stimmen der anderen hören konnte. Ich hatte tatsächlich keine Ahnung, wo wir sein könnten. Mein einziger Anhaltspunkt war, dass das Haus alt, aber modern ausgestattet war und auf einer steilen Anhöhe lag. Das hatte ich durchs Fenster gesehen. Grüne Hügel und Felsen erstreckten sich, so weit das Auge reichte, und die Luft roch anders. Vielleicht waren wir in den nördlichen Rocky Mountains, aber irgendwie hatte ich nicht das Gefühl, dass wir in den Staaten waren. Kanada vielleicht. Vielleicht auch nicht.
Ich beschloss, nicht weiter nachzuforschen. Wäre ja auch kontraproduktiv gewesen.
Als ich in die Küche kam, verstummte das Geplauder so abrupt, dass es schon fast komisch war. Fünf Köpfe hoben sich gespielt ungezwungen. Außer meiner Mutter und Annette waren noch Bones’ Meister, Ian, sowie Spade und Rodney da.
»Hallo zusammen«, sagte ich. »Seid ihr komplett? Oder treiben sich hier noch mehr Leute rum?«
»Oh, noch eine ganze Menge«, begann meine Mutter, bevor sie »Autsch! Wer hat mich getreten?« kreischte.
Ein undamenhaftes Schnauben entfuhr mir. »Spade wahrscheinlich. Ich darf also nicht mal wissen, wer noch hier ist? Warum ist das so wichtig?«
»Nur ein paar Wachleute, Cat«, antwortete Spade wegwerfend, während er meiner Mutter einen drohenden
Blick zuwarf. »Nichts, worüber du dir Gedanken machen müsstest.«
»Schön.« Würde ich genauere Informationen erbitten, hätte ich vermutlich bald wieder die Augenbinde um.
Ian saß zurückgelehnt auf seinem Stuhl, die Beine an den Knöcheln überkreuzt. Seine türkisfarbenen Augen blitzten schelmisch, als er sich an meine Mutter wandte.
»Hab dich vermisst, als ich letzte Nacht angekommen bin. Schön, dich wiederzusehen, Schätzchen«, sagte er gedehnt.
Rodney sah Ian genauso drohend an wie ich, allerdings aus einem anderen Grund. Rodney und meine Mutter waren, äh, zusammen. Soweit ich wusste. Ich fand es abartig, genauer über das Liebesleben meiner Mutter nachzudenken, und das lag nicht daran, das Rodney ein Ghul war.
»Lass meine Mutter in Ruhe«, wandte ich mich mit wütendem Blick an Ian.
Er lächelte ungerührt. Zu so etwas wie Reue wäre Ian nicht mal fähig, wenn sein Nachleben davon abhängen würde. Obwohl er sich Bones gegenüber als treuer Freund erwiesen hatte, waren Ian und ich nicht gut aufeinander zu sprechen. Er sammelte Raritäten, seien es Gegenstände oder Leute. Dieser Spleen hatte Ian auch auf die Idee gebracht zu versuchen, mir eine sexuelle Beziehung zu ihm aufzunötigen, bevor er von meiner Vergangenheit mit Bones gewusst hatte. Jetzt machte Ian mir keine unsittlichen Angebote mehr, schien aber Gefallen daran zu finden, sich immer wieder neue Methoden auszudenken, mich auf die Palme zu bringen.
Jetzt zum Beispiel musterte er gerade ausgiebig meine Mutter, wobei er darauf achtete, dass ich mitbekam, wie er bestimmte Körperpartien besonders eingehend begutachtete. Dann grinste er.
» Wirklich schön, dich wiederzusehen, Justina.«
Ich konnte nur hoffen, dass die Abneigung, die meine Mutter Vampiren gegenüber empfand – und die einst meine Kindheit zur Hölle gemacht hatte –, ihr jetzt zugutekam. Meine Mutter hasste meinen Vater, Max, seit er sie verführt und ihr dann nur so aus Spaß erzählt hatte, sie hätte gerade Sex mit einem Dämon gehabt. Als sie von ihm schwanger wurde, hatte sie geglaubt, sie würde einen Halbdämon zur Welt bringen – mich. Den üblen Scherz meines Vaters hatte ich mein Leben lang büßen müssen, bis Bones mir gezeigt hatte, dass an Vampiren mehr dran war als Fangzähne.
Davon war meine Mutter offensichtlich noch immer nicht ganz überzeugt, zumindest dem Blick nach zu urteilen, den sie Ian zuwarf.
»Hast du nichts Besseres zu tun?«, fragte sie ihn mit vernichtender Stimme.
Ians Lächeln wurde breiter. »Klar. Zieh den Rock hoch, dann zeig ich’s dir.«
»Jetzt reicht’s!«, kreischte ich und stürzte mich auf ihn, während Rodney so abrupt aufsprang, dass sein Stuhl umkippte, und ebenfalls auf Ian losging. Wir waren beide so aufgebracht, dass Ian nur ausweichen und zusehen musste, wie wir uns gegenseitig über den Haufen rannten.
»Ian, es reicht«, schnauzte Spade, der zwischen mich und Rodney getreten war, als wir uns gerade wieder aufgerappelt hatten, um Ian erneut zu attackieren. »Cat, Rodney, … Ian hat nichts mehr zu sagen. Ist doch so?«
Spade blitzte Ian an, der lediglich eine Schulter
Weitere Kostenlose Bücher