Der sanfte Hauch der Finsternis - Frost, J: Der sanfte Hauch der Finsternis - Destined for an early Grave (Night Huntress/ Cat & Bones 4)
hatte niemanden außer den paar Hausbewohnern. Wie gern hätte ich eine Freundin gehabt.
Gregors Empfangshalle wirkte auf mich sehr kühl. Eine hohe Decke verbarg den Himmel. Von plakativen Gemälden starrten unfreundliche Gestalten auf den Besucher herab. Zwei Streitäxte waren über einem Wappenschild gekreuzt. Sehr gemütlich. Wenn man Adolf Hitler hieß.
Augenblicke später kam Gregor durch die Tür. Er war eine äußerst beeindruckende Erscheinung in seinem langen dunklen Mantel und dem Hemd über der kohlschwarzen Hose. Einerseits wirkte er einschüchternd auf mich, andererseits war ich unwillkürlich geblendet von so viel Pracht.
Ich konnte immer noch nicht fassen, dass Gregor ein Vampir war. Gerade erst hatte ich mich damit abgefunden, selbst ein Mischling zu sein, und schon war ich von diesem fremden Vampir verschleppt worden, dem – Wunder über Wunder – auch noch meine Mutter zu vertrauen schien. Da sie sonst niemandem über den Weg traute, musste Gregor etwas Besonderes sein.
»Du siehst wundervoll aus in deinem Abendkleid«, stellte er fest, nachdem er mich in Augenschein genommen hatte. »Ganz die junge Dame, keine Spur mehr von dem verwilderten Landmädel.«
Ich wand mich innerlich, wollte mir aber nicht anmerken lassen, dass er einen wunden Punkt getroffen hatte. »Das liegt an Cannelle. Sie hat mir die Sachen herausgelegt.«
»Ich bedanke mich später bei ihr«, antwortete er mit einem Funkeln in den Augen. »Ist das nicht besser als schmutzige Jeans und Zweige in den Haaren?«
Während der vergangenen zwei Tage hatte ich kaum etwas gesagt, weil er und die neue Umgebung mich zu sehr eingeschüchtert hatten, aber jetzt richtete ich mich kerzengerade auf. »Das war mein ganzes Leben lang gut genug für mich«, stellte ich fest. »Wenn du so ein Problem mit meiner Herkunft hast, solltest du mich vielleicht wieder ins Flugzeug setzen.«
Über mich konnte er von mir aus sagen, was er wollte, solange er dabei meine Familie aus dem Spiel ließ. Sie konnten nichts dafür, dass sie nicht reich waren. Meine Großeltern schufteten schwerer als die meisten anderen Leute, und das in ihrem Alter.
Gregor breitete die Hände aus. »Ich wollte dich nicht brüskieren, chérie . Ich bin selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen, in Südfrankreich, aber dort gab es keine Kirschen. Siehst du? Noch eine Gemeinsamkeit zwischen uns.«
Ich war schon wieder etwas besänftigt. »Was haben wir denn sonst noch gemeinsam?«
»Ah«, er lächelte, seine harten Züge wurden weicher. »Komm. Du wirst es herausfinden.«
Gregor und ich gingen durch die Straßen von Paris. Er führte mich zu einem großen Platz mit beleuchteten Springbrunnen,
erzählte mir ihre Geschichte. Der Abend wäre traumhaft gewesen, hätte ich nicht so viele unbeantwortete Fragen gehabt, auf die er nicht eingehen wollte.
»Warum bin ich hier bei dir?«, erkundigte ich mich am Ende, weil es mich zunehmend frustrierte, nicht zu wissen, warum ich so eilig aus Ohio hatte abreisen müssen. »Meine Mutter meinte, ich müsste mit dir gehen, weil irgendein böser Vampir hinter mir her ist, aber wer das sein soll, hat mir niemand verraten.«
Wir waren fast am Eiffelturm angekommen. Er war atemberaubend, aber selbst die malerischste Szenerie konnte nicht verhindern, dass ich wissen wollte, wie meine Zukunft aussehen würde.
Gregor deutete auf eine Bank in der Nähe, und wir setzten uns. Nach Sonnenuntergang war die Temperatur gefallen; er nahm seinen Mantel ab und reichte ihn mir.
Die einfache Geste berührte mich und ließ mich wieder schüchtern werden. So würde sich ein junger Mann bei einem Date benehmen, zumindest glaubte ich das. Gregor saß auch sehr dicht bei mir. Unsicher fragte ich mich, ob ich Mundgeruch hatte oder etwas zwischen meinen Zähnen steckte.
»Was du bist, Catherine«, fing er an, »ist sehr selten. Auf dieser Welt gibt es Vampire, Menschen und Ghule, aber außer dir existierte bis jetzt nur ein anderes Halbblut, und das ist schon Jahrhunderte her. Es gibt Leute, die sich deine Einzigartigkeit zunutze machen wollen. Insbesondere ein Mann wird versuchen, sich deiner zu bedienen.«
»Wer?«, keuchte ich und fühlte mich so allein in dem Wissen, dass es niemand anderen gab, der so war wie ich. »Und warum?«
»Sein Name ist Bones.« Gregor spie die Worte förmlich aus. »Er wird dich zur Mörderin machen, wie er selbst einer
ist. Zur Hure, mit der er seine Opfer anlocken kann. Er wird deine Familie töten, damit niemand außer ihm
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