Der sanfte Hauch der Finsternis - Frost, J: Der sanfte Hauch der Finsternis - Destined for an early Grave (Night Huntress/ Cat & Bones 4)
einen letzten Blick auf das Loch in der Decke und die brennenden Wände, bevor ich Vlads Arm nahm, noch immer ganz fertig von dem, was in der letzten Viertelstunde geschehen war. »Gehen wir.«
Wir stiegen in einen Wagen, der offensichtlich Vlad gehörte. Im Davonfahren hörten wir es dreimal vernehmlich rumsen, als die Autos in der Einfahrt explodierten.
»Damit sie nicht versuchen, uns zu folgen«, erklärte Vlad auf meinen verdutzten Gesichtsausdruck hin.
Am Himmel blitzte es. Es war das Letzte, was ich sah, bevor ich die Augen schloss.
20
Der Prozess der Trauerbewältigung läuft in fünf Phasen ab, heißt es. Erst will man es nicht wahrhaben. Die Phase hatte ich inzwischen mehr als überwunden. Dann kommt die Wut, und Mann, ich war stinkwütend. Konntest dir nicht mal ein paar Tage Zeit lassen und alles überdenken, abwarten, bis
sich der Staub gelegt hat, was? O nein, du nicht, Bones! Sitzt schon wieder fest im Sattel, hm, Cowboy?
Dann macht man sich doch wieder Hoffnung, vermutlich die erbärmlichste der fünf Phasen, in der ich mich befand, als ich auf dem Weg zu meinem unbekannten Ziel im Flieger saß. Er soll zurückkommen. Ich liebe ihn so, und er hat mich auch geliebt. Vielleicht lässt sich alles wieder geradebiegen …
Scheiß drauf!, dachte ich und fiel in die wütende Phase zurück. Ich habe immer gewusst, dass Bones sich nicht ändern wird. Die Katze lässt das Mausen nicht, so heißt es doch, oder? Hat keine Frau, hm? Du kannst mir gestohlen bleiben.
Falls der Vampir auf dem Nebensitz meine schizophrenen Gedanken mit anhörte, ließ er es sich nicht anmerken. Vlad piff vor sich hin, während meine Emotionen Achterbahn fuhren. Als er verkündete, dass wir am Zielort angekommen wären, hatte ich mich schon in eine ausgewachsene Depression hineingesteigert.
Oder anders ausgedrückt, in Phase Nummer vier.
Der Wagen hielt an, und ich hörte Leute näher kommen. Alle hatten keinen Herzschlag.
Die Autotür auf meiner Seite öffnete sich. Jemand zupfte an meiner Hand. »Lass die Augen noch ein bisschen zu. Ich führe dich nach drinnen.«
Ein paar vorsichtige Schritte später blieben wir stehen.
»Du kannst die Augen aufmachen, Cat.«
Ich tat es. Wir standen in einer Art langem Korridor, der uralt wirkte. Die Decken waren sehr hoch. Ich kam mir vor wie in einem kitschigen Schauerroman.
Vlad lächelte. »Treten Sie frei und freiwillig ein, sollte ich wohl sagen.«
Ich ließ die Blicke durch den Korridor schweifen. »Ich bleibe nur ein paar Tage, um einen klaren Kopf zu bekommen.« Und mein gebrochenes Herz zu flicken.
»Bleib, so lange du willst. Schließlich hast du noch Schulden bei mir. Dann habe ich mehr als ein paar Tage Zeit, um sie einzutreiben.«
Ich warf ihm einen müden Blick zu. »Würde ich nicht drauf wetten.«
Eins musste man dem ungekrönten Fürsten der Finsternis lassen. Sein Personal war weder faul noch unaufmerksam. Nachdem ich von einem Vampir namens Shrapnel auf mein Zimmer gebracht worden war, fragte ich ihn, welche plasmafreien Drinks sie im Angebot hätten. Shrapnel zählte sie mir nicht einfach auf, er brachte mir alles, was der Kühlschrank an Flüssigem hergab. Als ich ihm sagte, ich hätte auch selbst hinuntergehen und nachsehen können, starrte er mich an, als hielte er mich für verrückt.
Womit er vermutlich nicht mal ganz falschlag.
Vlad leistete mir jeden Abend beim Essen Gesellschaft, obwohl er nichts zu sich nahm. Tagsüber sah ich ihn kaum, er hatte wohl zu tun. Sicher wusste ich das natürlich nicht. Die meiste Zeit verbrachte ich grübelnd in meinem Zimmer und gab mich meinen wilden Stimmungsschwankungen hin, von Wut auf Bones bis hin zu Selbstvorwürfen. War unsere Beziehung schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen, weil Bones von seinem ausschweifenden Liebesleben nicht lassen konnte? Oder wäre alles noch in bester Ordnung, wenn ich nicht mit Gregor abgehauen wäre? Ich wusste es nicht, und die Ungewissheit nagte an mir.
Um neun Uhr ging ich ins Speisezimmer. Das Abendessen wurde aus offensichtlichen Gründen spät gereicht. Vlad saß schon am Tisch. Er trug sein langes braunes Haar
offen und frisch gebürstet und drehte den Stiel seines Weinglases zwischen den Fingern, als ich mich wie üblich zu ihm setzte.
Ich nahm mir von den aufgetragenen Gerichten. Lammkarree an Rosmarin, marinierter Spargel mit Mangosalsa und rote Kartöffelchen. Vlad sah nur zu und trank seinen Wein. Durch das Zusammenleben mit einem Vampir war ich daran
Weitere Kostenlose Bücher