Der sanfte Kuss des Todes
das Verzeichnis der Kabelsender, das griffbereit auf dem Fernseher lag, um vielleicht jemanden dazu zu animieren, einen Porno zu ordern. Sullivan hatte die Absicht, die Aufzeichnungen des Motels unter die Lupe zu nehmen, um festzustellen, ob diese Woche Programme von Nr. 103 aus bestellt worden waren, und wenn ja, welche.
Er trat zum Bett, öffnete die Nachttischschublade und entdeckte darin einen Kugelschreiber und eine Bibel. Dann ging er zum Toilettentisch und schaltete die Neonlampe über dem Waschbecken ein. Abgesehen von ein paar Rostflecken,
die von jahrelangem Gebrauch herrührten, blitzte das Porzellanbecken vor Sauberkeit. Er zog den Abfalleimer hervor und warf einen Blick hinein, sah jedoch nichts außer einer leeren Plastikmülltüte. Er betrat das winzige Bad. Hier war der Zimtgeruch noch intensiver. Noch mehr frisch zusammengelegte Handtücher, gerade mal groß genug für einen Fünfjährigen, aber kaum für einen Erwachsenen. Am Rand der Badewanne lag verloren ein Stück billige, eingeschweißte Seife.
Es klopfte an der Tür, und Sullivan durchquerte das Zimmer, wobei er sich unwillkürlich fragte, wie viele DNA-Proben man wohl allein dem Teppichboden entnehmen könnte. Auch wenn das Zimmer oberflächlich betrachtet sauber zu sein schien, es würde die Leute von der Spurensicherung sicher zur Verzweiflung treiben. Übersät mit Spuren – Fasern, Fingerabdrücke, Haare und Sperma. An einem Ort wie diesem war es nicht der Mangel an Spuren, sondern ihr Überfluss, was ihnen die Arbeit erschwerte.
Sullivan riss die Tür auf in der Erwartung, zwei Kriminaltechniker in Papieranzügen zu sehen.
Stattdessen stand eine Frau vor ihm. Mitte dreißig. Sie trug einen braunen Ledermantel und hatte kurze blonde Haare.
»Bist du George?«, fragte sie außer Atem. »Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, aber es ging nicht schneller.«
KAPITEL 7
Fiona sah aus wie ein Teenager. Jack sah zu, wie sie mit zerrissener Jeans, ausgewaschenem schwarzem T-Shirt und schmutzigen Turnschuhen das Gebäude betrat. Er hatte ihr gestern Abend erzählt, dass Brady Cox aufsässig war und Probleme mit Autorität hatte, und deshalb hatte sie sich wohl entsprechend ausstaffiert. Sie sah wie das genaue Gegenteil einer Autoritätsperson aus und am allerwenigsten wie eine Frau, die regelmäßig mit den höchsten Polizeibehörden des Landes zusammenarbeitete. Nur die Tasche mit ihren Utensilien war ein Hinweis darauf, wer sie wirklich war.
»Ich bin mit Chief Bowman verabredet«, erklärte sie Sharon. Sharon als Jüngste war wieder für den Empfang abgestellt worden, wo sie sich um die von Zeit zu Zeit auftauchenden Verrückten und Meckerer kümmern durfte.
Jack ging die paar Meter zum Empfang. Seine Dienststelle bestand ihrem winzigen Zuständigkeitsbereich entsprechend nur aus ein paar zusammengewürfelten Schreibtischen und Aktenschränken.
Er fing Fionas Blick auf, und sie lächelte, was sie augenblicklich weniger abgebrüht aussehen ließ. Er öffnete die Schwingtür in der Holzbrüstung, die den Eingangsbereich von den eigentlichen Arbeitsplätzen trennte. Auf seinem alten Revier in Houston waren die Polizisten durch Metalldetektoren, bewaffnete Wachen und schusssicheres Glas von den Besuchern getrennt gewesen, aber in Graingerville musste kein solcher Aufwand betrieben werden.
»Kommen Sie mit nach hinten«, sagte er und deutete
zu seinem Büro. Er war sich bewusst, dass alle Augen im Raum auf Fiona gerichtet waren. Die Kollegen hatten alle mitbekommen, dass er die FBI-Zeichnerin mit dem legendären Ruf noch einmal angeheuert hatte, weil er hoffte, sie könnte ihnen bei der Aufklärung ihres Falls helfen. Woran allerdings keiner von ihnen so recht glaubte.
Gerade als sie am Aufenthaltsraum vorbeigingen, kam Carlos heraus, der sich fast den Hals verrenkte, um Fionas Hintern zu bewundern, und sich dabei mit seinem Kaffee bekleckerte.
Jack sah ihn streng an. »Ich will nicht gestört werden. Und der einzige Besucher, den ich in meinem Büro sehen will, ist Brady Cox. Du bist dafür zuständig, seine Mutter zu beschäftigen, während wir ihn uns vornehmen.«
Jack schloss die Tür hinter sich, was die Gerüchteküche, die seit Fionas Ankunft in der Stadt brodelte, neu anheizen würde. Seit Jack seinen Posten angetreten hatte und nach Graingerville zurückgezogen war, war es ein beliebter Zeitvertreib, Wetten über sein Liebesleben – bzw. dessen Fehlen – abzuschließen. Selbst seine Mutter und seine Schwestern waren
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