Der sanfte Kuss des Todes
einnimmst«, sagte er. »Es gibt Leute, die sagen, dass es nach Geld riecht.«
Die nächsten Kilometer schwiegen sie, dann fuhr Jack auf den Seitenstreifen und stellte das Auto neben ein paar Büschen ab. Es war kühl und feucht. Ein Stück weiter kreuzte sich der Highway mit einer zweispurigen Straße, an der ein paar Häuser standen.
»Da drüben wurde sie gefunden.« Jack deutete auf die Stelle neben der Ulme, wo man Natalies Leiche entdeckt hatte. Fiona blickte einen Moment auf das Gras, dann wandte sie sich ab.
»In welchem der Häuser wohnt Brady?«, fragte sie. »Gleich dort.« Er deutete auf eines der kleinen Häuser. »Sein Vater hat vor ein paar Jahren das Weite gesucht. Seither gehen die Männer dort ein und aus.«
Fiona wurde es eng in der Brust. Wie immer, wenn sie so etwas hörte.
»Er verbringt vermutlich nicht viel Zeit zu Hause.« Jack blieb neben einer Reihe von Bäumen und Büschen entlang des Zauns stehen, der beide Grundstücke voneinander trennte. Er deutete auf einen riesigen Pekanbaum. »Dort oben ist das Baumhaus.«
Sie sah hinauf. Hoch oben befand sich zwischen den Ästen eine kleine Plattform aus Holz, die an drei Seiten von Sperrholzplatten umgeben war. Die Leiter, die hinaufführte, bestand aus einem Dutzend krummer und schiefer Bretter, die an den Baumstamm genagelt waren. Wie die meisten Bäume, die hier standen, war auch dieser noch nicht belaubt.
»Das ist ziemlich weit oben«, sagte sie. »Sieht aus, als wäre es dort frisch, meinst du nicht?«
»Wahrscheinlich.«
»Kaum vorstellbar, dass er dort oben manchmal schläft.«
»Vielleicht ist es besser als die Alternative.«
Die Bitterkeit längst vergangener Jahre stieg in ihr auf. »Hast du mal das Jugendamt auf die Familie angesetzt?«
»Sie kümmern sich. Und ich sehe auch ab und zu nach dem Rechten.« Jack hatte einen ernsten Ton angeschlagen, es klang wie ein Versprechen.
Fiona sah ihn an, sie fragte sich, ob er wirklich wusste, wonach er Ausschau halten musste. Schlief Bradys Mutter mit einer brennenden Zigarette auf dem Sofa ein? Schlug sie ihren Sohn? Schlugen ihre Freunde ihren Sohn?
Vielleicht waren manche von ihnen ja auch ein bisschen zu freundlich zu ihm?
Fiona stapfte zu dem Baum und griff nach einer Sprosse der improvisierten Leiter. Das Holz war alt, aber nicht brüchig. Offenbar hatte Brady einen Lattenzaun geplündert.
Sie fing an hochzuklettern.
»He, was machst du denn da?«
Sie prüfte die nächste Sprosse. »Ich möchte wissen, was Brady gesehen hat.«
Jack stand unter ihr, die Hände in die Hüften gestemmt, und sah zu, wie sie immer höher kletterte. »Ich warne dich, ich werde ziemlich sauer, wenn du dir den Hals brichst.«
Fiona erreichte die letzte Sprosse und zog sich auf die Plattform. Von hier aus hatte sie freien Blick über die Weiden, einen Teil des Highways und einen Großteil der nahe gelegenen Häuser. Brady konnte von seinem Baumhaus aus die Besucher seiner Mutter kommen und gehen sehen, und er musste einen guten Blick auf den Mörder gehabt haben. Was das Auto des Mörders betraf, sah die Sache allerdings anders aus.
»Dieses Stück des Highways sieht man von hier oben kaum ein«, rief sie Jack zu. »Wenn der Kerl das Auto bei den Büschen an der Straße abgestellt hat, dann konnte Brady es nicht sehen.«
Fiona stieg wieder herunter. Als sie schon fast unten war, verfehlte sie eine Sprosse. Sie verlor das Gleichgewicht, und Jack erwischte sie am Arm und fing sie auf, bevor sie erneut auf ihr lädiertes Steißbein fallen konnte.
»Danke«, sagte sie und hielt sich an ihm fest.
Er blickte auf sie herunter, und sie konnte erneut Ärger in seinem Gesicht aufflackern sehen.
»Was ist?«
Er ließ ihren Arm los und ging zurück zu seinem Pick-up. »Jack?«
Er riss die Beifahrertür auf. »Lass uns fahren.«
Sie ging zum Auto, fest entschlossen, sich nicht wieder wie gestern am See aus der Fassung bringen zu lassen. Als sie bei ihm war, blieb sie stehen. »Hast du ein Problem?«
Er sah sie mit versteinerter Miene an.
»Falls du es nicht bemerkt haben solltest, ich bin hier, weil ich dich unterstützen will. Ich kann nichts dafür, dass dein Sheriff unseren Zeugen verprellt hat.«
»Steig ein. Du holst dir hier draußen noch den Tod.«
Sie ignorierte seine Worte. »Brady könnte seine Meinung durchaus wieder ändern, das weißt du. In der Zwischenzeit musst du eben andere Spuren verfolgen. Was hast du bei Viper gefunden?«
»Steig ein«, wiederholte er, »oder ich werde
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