Der sanfte Kuss des Todes
und durch Politiker und konnte die Presse spielend um den Finger wickeln, aber als Ermittler war er eine absolute Niete.
Sharon stellte sich neben Jack und pfiff leise durch die Zähne. »Wer ist das denn?«, fragte sie.
Er folgte ihrem Blick zu den FBI-Leuten und den Deputys aus dem Sheriff-Büro, die sich hinter Randy aufgereiht hatten.
»Wen meinen Sie?«
»Den im Anzug.«
Randys Sekretärin, die rechts von Jack stand, beugte sich vor. »Er ist vom FBI«, sagte Myrna. »Special Agent Santos.«
Die beiden Frauen wechselten einen Blick, den Jack von
seinen Schwestern kannte, wenn sie sich über Colin Firth oder Brad Pitt unterhielten.
»Ich frage mich, wie er unter diesem hübschen Anzug aussieht«, murmelte Sharon und Myrna kicherte.
Jack warf Sharon einen strengen Polizeichef-Blick zu, und sie war sofort still. Dann sah er zu Ray Santos vom FBI-Büro in San Antonio, der schweigend hinter dem Sheriff stand und den Raum mit Argusaugen beobachtete. Das war also der Typ, der die großartige Idee gehabt hatte, Fiona zu einem neuerlichen Gespräch mit Brady Cox herzubeordern. Jack hatte sich seinen Lebenslauf angesehen. Santos hatte einen Doktor in Psychologie, aber statt in irgendeinem Keller im Forschungszentrum des FBI in Quantico Fallanalysen vorzunehmen, war er die letzten fünf Jahre in der Abteilung Gewaltverbrechen in San Antonio beschäftigt gewesen, was Jack zwei Dinge sagte: Santos kannte sich mit der Drecksarbeit bei der Polizei aus, beherrschte aber höchstwahrscheinlich auch das Psychogewäsch aus dem Effeff.
Scheiß-FBIler. Jack wusste ihre technische Unterstützung bei dem Fall zu schätzen, aber er hatte keine Lust, seine Zeit an irgendwelchen Konferenztischen zu verschwenden und darüber zu diskutieren, ob der Täter mit zehn noch ins Bett gemacht hatte oder nicht. Es ging darum, das Schwein zu erwischen, nicht es zu psychoanalysieren.
Randy quatschte immer weiter, das Publikum hing an seinen Lippen. Jack ließ seinen Blick über die versammelten Journalisten schweifen, die von überallher zusammengeströmt waren, um sich ihren Anteil an der Geschichte zu sichern. Die Zeitungsleute trugen Jeans und Hemden mit billigen Krawatten. Die vom Fernsehen – in erster Linie Frauen – hatten schicke Frisuren und teure weiße Zähne.
Beinahe hätte Jack die Frau in Beige übersehen, die relativ weit hinten Platz genommen hatte. Ein schlichter Hosenanzug, kein Lächeln, aber Jacks Herz schlug dennoch sofort schneller, als sein Blick auf sie fiel.
Fiona saß aufrecht auf ihrem Stuhl, die Hände gefaltet im Schoß, während sie zuhörte, wie Randy versprach, dass »das Sheriff-Büro von Grainger County Marissa nach Hause bringen wird, komme, was da wolle«.
Fiona zuckte bei diesem Satz zusammen. Sie dachte sicherlich dasselbe wie Jack: dass Randy mit solchen Versprechungen weit übers Ziel hinausschoss. Marissa war entführt worden. Gewaltsam. Höchstwahrscheinlich von derselben Person, die Natalie Fuentes umgebracht hatte. Wenn Marissa überhaupt noch am Leben war, dann wurde sie möglicherweise schwer misshandelt. Und wenn sie nicht mehr am Leben war – wenn dieser Psychopath sie bereits vergewaltigt, erwürgt und irgendwo abgeladen hatte -, dann würden ihre Überreste womöglich nie gefunden werden. Wie Veronica Morales könnte sie über Jahre verschwunden bleiben. Oder für immer.
Und doch stand Randy aufgeblasen wie eine Kröte da und versprach Marissas Eltern – und Millionen von Fernsehzuschauern -, dass er sie nach Hause bringen könnte.
Fiona sah auf, und ihre Blicke trafen sich. Beider Augen funkelten zornig, und Jack fragte sich, was sie gerade dachte. Ärgerte sie sich genauso über Randy wie er? Oder war sie noch wegen seiner »Ratschläge« von gestern sauer? Vielleicht passte es ihr auch nur nicht, dass sie schon wieder hier war.
Aber deswegen war sie wohl nicht wütend. Mittlerweile kannte er sie gut genug, um zu wissen, dass sie ein enormes Pflichtgefühl besaß und alles gab. Sie nahm an jedem
ihrer Fälle persönlich Anteil. Und genau wie er würde sie schlaflose Nächte haben, bis der Fall aufgeklärt und der Täter hinter Schloss und Riegel gebracht war.
Fiona blickte auf ihre Hände und spielte an ihren Manschetten herum, während die Journalisten Randy mit Fragen bombardierten. In aller Ruhe beantwortete er sie und schaffte es wie durch ein Wunder, sich nicht zum Idioten zu machen, während er sich über die Ermittlungsarbeit und die Beweise ausließ, von denen er im
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