Der Sarg: Psychothriller
»Frau Rossbach, ich muss noch einmal darauf zurückkommen, dass sie lange keinen Kontakt mehr zu Ihrer Halbschwester hatten. Auch Herr Wiebking senior hat uns gegenüber angegeben, Frau Glöckner seit Jahren nicht mehr gesehen zu haben. Wissen Sie, warum sein Sohn noch mit ihr in Verbindung stand?«
Die Überraschung war ihr deutlich anzusehen. »Jörg? Nein, ich wusste gar nicht, dass er noch Kontakt zu Inge hatte. Aber das geht mich auch nichts an.«
»Er hat sie vor nicht einmal zwei Wochen zu Hause besucht. Wir dachten, Sie hätten vielleicht eine Idee, was der Grund dafür gewesen sein könnte.«
»Nein, bestimmt nicht. Das muss er Ihnen schon selbst sagen.«
»Ja, wir werden ihn fragen. Es hätte ja sein können, dass Sie darüber Bescheid wissen. Nun gut. Darf ich Sie noch fragen, was der Grund für Ihren Arztbesuch heute Morgen war?«
»Ach das … Es geht mir im Moment nicht so gut, deswegen war ich bei einem Facharzt für Psychologie und Psychotherapie.«
»Ah, verstehe. Wenn jemand aus der Familie stirbt, geht das nicht spurlos an einem vorüber, auch wenn man lange keinen Kontakt mehr hatte, nicht wahr?«
»Ja, das stimmt«, sagte sie, und Menkhoff war sicher, dass Eva Rossbach in diesem Moment nicht ehrlich war.
21
Als die beiden Polizisten endlich gegangen waren, ließ Eva sich auf die Couch fallen und legte sich hin. Sie war so erschöpft, dass sie das Gefühl hatte, keine Minute länger mehr stehen zu können. Ihre Gedanken kreisten um Manuel, ihren kleinen Bruder, der so zart war, den sie nicht hatte beschützen können vor einer Mutter, die nur Augen für ihre Tochter gehabt, die ihn so schrecklich behandelt und ihm so unsagbar schlimme Dinge angetan hatte. Sehr weit war sie allerdings nicht in ihren Überlegungen gekommen, als der Türgong ihre Gedanken unterbrach. Alles in ihr verlangte danach, einfach liegen zu bleiben und sich tot zu stellen. Dann jedoch überlegte sie, dass das wahrscheinlich wieder dieser Menkhoff und seine Kollegin waren, die noch etwas vergessen hatten. Die beiden wussten, dass sie da war, und sie würden sich wundern, wenn sie ihnen nun nicht öffnete. Also rappelte sie sich mühsam auf und ging langsam zur Tür, jeder Schritt eine neue Anstrengung.
Als sie die Haustür öffnete, stand zu ihrer Überraschung jedoch nicht Menkhoff mit seiner Kollegin vor ihr, sondern Jörg Wiebking. »Hallo, Eva«, sagte er mit ernster Miene. »Ich dachte mir, ich schaue mal nach, wie es dir geht.«
»Jörg. Mit dir habe ich jetzt gar nicht gerechnet. Ich dachte …«
»Du dachtest, die beiden von der Kripo wären zurückgekommen? Wie Inspektor Columbo im Fernsehen, der auch immer noch eine Frage hat, wenn er eigentlich schon gegangen ist?« Er lächelte. »Ich habe die beiden gerade wegfahren sehen, als ich ankam. Wie ist es, darf ich reinkommen?«
»Ja, sicher«, sagte Eva, und es war ihr egal, wenn er ihr anmerkte, dass sie eigentlich lieber allein gewesen wäre. Sie war so unendlich müde. Er betrat an ihr vorbei die Diele, und sie schloss die Tür.
»Dieser Polizist, Menkhoff, er hat mich gefragt, ob ich weiß, was du von Inge wolltest, als du bei ihr warst.«
»Hm, das wundert mich.« Jörg zog die Stirn kraus. »Das haben die mich doch schon gefragt. Die scheinen mir nicht zu glauben.« Er wandte sich lächelnd ab und ging voraus zum Wohnzimmer, wo er es sich auf einem der Sessel bequem machte.
»Aber nun erzähl doch mal: Wie geht’s dir?«
»Ich wusste nicht, dass du Kontakt zu Inge hattest.«
»Was heißt Kontakt? Wir haben uns hier und da mal gesehen, meist zufällig. Ich kaufe ab und zu mal in ihrem Laden ein. Nichts Großes. Aber nun sag: Wie geht es dir?«
»Ach, es geht schon.« Sie hoffte, ihrer Stimme einen halbwegs festen Klang gegeben zu haben. »Diese Sache mit Inge ist schrecklich.«
»Ja, das ist sie«, bestätigte Jörg. »Es ist unglaublich, was für durchgeknallte Typen es gibt. Vor allem stellt man sich die Frage, warum ausgerechnet Inge? Wer hat einen Vorteil von ihrem Tod?«
»Es ist ja nicht nur Inge. Die Polizisten haben mir eben gesagt, dass heute Morgen eine weitere Frau gefunden wurde, wieder in einer Kiste vergraben.«
Jörg richtete sich in seinem Sessel auf. »Ach, das ist ja interessant. Dann war es vielleicht einfach ein Zufall, dass der Mörder sich Inge ausgesucht hat? Das macht es für die Polizei natürlich nicht gerade einfacher. Das heißt, jeder x-Beliebige kann der Mörder sein, ohne jegliche Verbindung zu Inge.«
»Was
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