Der Sarg: Psychothriller
macht sauber und kocht für mich.«
»Wie oft ist sie hier?«
»Eigentlich dreimal in der Woche, jeweils für sechs, sieben Stunden.«
»Was heißt eigentlich?«
»Na ja, diese Woche hat sie Urlaub, sie besucht ihre Schwester in Trier.«
»Gibt es für diese Zeit einen Ersatz oder machen Sie alles selbst?«
»Nein, sie … Ich bin keine gute Köchin, wissen Sie. Hildegard kocht für mich vor, wenn sie ein paar Tage nicht da ist. Das Saubermachen erledige ich aber selbst.«
»Wie gut kennen Sie sie?«
»Ich … Moment, denken Sie etwa, Hildegard könnte etwas damit zu tun haben? Auf gar keinen Fall! Sie ist sechzig und eine Seele von einem Mensch. Ich kenne sie seit meiner Kindheit.«
»Hm … hat sie einen Hausschlüssel?«
»Natürlich. Sie kann kommen und gehen, wann immer sie möchte. Aber noch einmal: Ich würde für Hildegard meine Hand ins Feuer legen.«
»Aber vielleicht hat sich jemand den Schlüssel von ihr besorgt, ohne dass sie es bemerkt hat.«
Das war nicht vollkommen abwegig, wie Eva zugeben musste. »Ja, vielleicht. Aber sie kommt erst am Montag wieder.«
»Eva, ich bitte Sie noch einmal, die Polizei zu informieren. Ich rate Ihnen wirklich dringend dazu. Denken Sie einfach noch einmal darüber nach, ja?« Damit wandte er sich ab und verließ das Wohnzimmer.
Als die Wohnungstür ins Schloss fiel, ging Eva in die Küche und schenkte sich ein Glas Apfelsaft ein. Während sie der goldenen Flüssigkeit dabei zusah, wie sie in das hohe Glas lief, dachte sie daran, dass Apfelsaft Manuels Lieblingsgetränk gewesen war.
29
Eva stand vor dem Spiegel und starrte auf die Nachricht, unfähig, die Hand zu heben, in der sie die Sprühflasche mit dem Glasreiniger hielt. Sie hatte den irrsinnigen Gedanken, der Verfasser würde es merken, wenn sie seine Botschaft zerstörte, und sie dafür bestrafen. Ein Gefühl der Beklemmung hatte von ihr Besitz ergriffen, ein Gefühl, das sich jeden Augenblick zu einer Panik steigern würde, wenn sie nichts unternahm. Sie zwang sich aus ihrer Starre und überzog die Botschaft mit mehreren schnellen Sprühstößen. Der Glasreiniger rann schaumig langsam am Spiegel herab, den Lippenstiftbuchstaben konnte er nichts anhaben.
Hastig griff sie nach dem Lappen, den sie bereitgelegt hatte, und wischte einmal quer über die Nachricht. Der Bann der Worte war gebrochen. Hektisch wischte sie weiter, kreuz und quer über den Spiegel, sprühte die Stelle wieder und wieder mit Glasreiniger ein, wischte und wischte.
Nach einigen Minuten war keine Spur mehr von der ursprünglichen Nachricht zu sehen, und auch Evas Kopie war verschwunden. Sie trat einen Schritt zurück, betrachtete ihr Werk. Viel besser ging es ihr jedoch nicht.
Dr. Leienberg kam nach rund eineinhalb Stunden zurück und hatte eine Ledertasche dabei. Er erkundigte sich, wie es Eva ging, und sie erzählte ihm von ihrer Reinigungsaktion und dass sie ansonsten nur dagesessen und über die letzten Tage nachgedacht hatte. Sie zeigte ihm das geräumige Gästezimmer, das gleich am Eingang zwischen Garage und Diele lag und einen direkten Zugang zum Gästebad hatte. Nachdem Leienberg seine Sachen dort deponiert hatte, kam er ins Wohnzimmer, wo Eva auf ihn wartete. Sie hatte einen Saint Estephe Bordeaux und eine Flasche Wasser auf den Tisch gestellt, die entsprechenden Gläser standen zwischen den Flaschen. »Möchten Sie jetzt vielleicht etwas trinken?«
»Ja, jetzt gerne«, sagte er und nahm ihr gegenüber Platz, während Eva den Rotwein öffnete. »Ich habe mir noch mal Gedanken gemacht und …«, setzte er an, doch Eva unterbrach ihn. »Bitte, Dr. Leienberg, sagen Sie mir nicht wieder, dass ich die Polizei informieren soll!« Eva schenkte den Wein ein und stellte die Flasche auf einen hölzernen Untersetzer auf den Tisch. Dann griff sie die Wasserflasche und füllte auch die Wassergläser.
»Nein, das hatte ich nicht vor. Es geht vielmehr um Ihren Traum. Sagen Sie, leiden Sie unter Platzangst?«
Eva stieß ein kurzes, bitteres Lachen aus. »Ja, zumindest in einem Sarg.« Mit zittrigen Fingern griff sie sich ihr Weinglas und trank einen Schluck. Als sie es wieder absetzte, wurde ihr bewusst, dass sie ihrem Gast nicht zugeprostet hatte. »Entschuldigen Sie«, sagte sie und deutete auf das Glas, woraufhin auch Leienberg einen Schluck nahm. »Erzählen Sie mir davon.«
Evas Blick war auf das Glas mit dem Wein darin gerichtet, der in dem gedämpften, weichen Licht, in das die Stehlampe neben der Couch diesen Teil
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