Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch
der Magisierung abgeschlossen. Die Substanz im Gefäß sah jetzt spiegelnd und undurchsichtig aus wie Quecksilber. Sie war nun bereit, jede Zauberkraft in sich aufzunehmen, in diesem Fall also die geheimnisvolle Fähigkeit, alle Wünsche in Erfüllung gehen zu lassen.
Moritz war auf ein niedriges Vordach über dem Seiteneingang gesprungen, von dort auf das größere Dach über dem Hauptportal, dann kletterte er auf ein spitzes Türmchen voller Steinknubbel und setzte von dessen Spitze aus mit einem gewagten Sprung auf ein Gesims über. Um ein Haar wäre er dort abgerutscht, weil es voller Schnee und Eis lag, aber es gelang ihm gerade noch, das Gleichgewicht zu halten.
Der Rabe flatterte zu ihm hinauf.
»Jetzt reicht’s!« sagte er heiser. »Komm da sofort wieder runter, hörst du ! Du wirst dir noch alle Knochen brechen. Du bist viel zu fett und hast überhaupt keine Kondition für sowas.«
Aber der Kater kletterte weiter.
»Hach«, schrie Jakob wütend, »ich könnt’ mir meine letzten Federn ausreißen, weil ich nicht den Schnabel gehalten hab’. Hast du denn wirklich kein Gramm Hirn in deinem blöden Katzenkopf drin? Wenn ich dir doch sag’, daß es keinen Sinn hat. Die Glocken da oben sind auch für uns beide zusammen viel zu schwer.«
»Das wird sich zeigen«, war die unerschütterliche Antwort des Katers.
Er kletterte weiter und immer weiter. Je höher er kam, desto erbarmungsloser pfiff ihm der Sturm um die Ohren.
Er war schon oberhalb der großen Rosette über dem Hauptportal angelangt, als er fühlte, wie seine Kräfte ganz plötzlich nachließen. In seinem Kopf drehte sich alles. Er war ja von vornherein nicht gerade in sportlicher Verfassung gewesen, aber nun begann sich auch noch der Aufenthalt in der Giftmülltonne deutlich bemerkbar zu machen.
Als er auf einen Wasserspeier hinübersprang, der einen grinsenden, spitzohrigen Teufel darstellte, rutschte er langsam aber unaufhaltsam ab.
Er wäre ganz sicher in die Tiefe gestürzt - und die war jetzt sogar für eine geübte Katze bereits tödlich -, wenn Jakob nicht herbeigeflattert wäre und ihn im letzten Augenblick am Schwanz festgehalten hätte.
Keuchend und zitternd drückte sich der kleine Kater an die Wand, um Schutz vor dem eisigen Wind zu finden, und versuchte, seine gefühllos gewordenen Pfoten aufzuwärmen.
Der Rabe setzte sich vor ihn hin.
»So!« sagte er. »Und jetzt mal ganz im Ernst: Selbst wenn du’s schaffst, bis ganz nach oben zu den Glocken zu kommen - und das kannst du einfach nicht schaffen -, dann hat’s trotzdem keinen Zweck. Benütz’ doch bitte ein einziges Mal in deinem Leben deinen Grips, Freundchen! Nehmen wir mal an, wir zwei bringen’s tatsächlich fertig, die Glocken zu läuten - was wie gesagt total unmöglich is’ - dann täten dein Maestro und meine Madam das doch natürlich auch hören. Und wenn sie’s hören, dann kriegen sie doch sofort spitz, daß die Umkehrwirkung von ihrem Gesöff aufgehoben is’. Na und? Auf die können sie doch jetzt leicht verzichten. Die war doch nur dazu da, um uns damit zu täuschen. Wenn wir jetzt aber gar nicht mehr dabei sind, dann brauchen sie die Umkehrwirkung doch überhaupt nicht. Dann wünschen sie eben nach Herzenslust lauter Böses, was dann wörtlich in Erfüllung geht. Sie brauchen sich ja keinen Zwang mehr anzutun, weil wir sie nicht mehr stören. Oder hast du dir vielleicht eingebildet, du kannst nachher den ganzen Turm wieder runterklettern, den ganzen Weg wieder zurücklaufen und trotzdem noch rechtzeitig bei der Party sein? Wie stellst du dir das eigentlich vor? Weißt du, was mit dir sein wird? Aus wird es mit dir sein! Jämmerlich draufgehen wirst du - und zwar für nix und wieder nix. Das is’ alles, was sein wird.«
Aber Moritz hörte nicht zu. Die Stimme des Raben drang irgendwie aus weiter Ferne an sein Ohr, aber er fühlte sich viel zu krank und zu erschöpft, um so komplizierte Gedankengänge mitzudenken. Er wußte nur noch eins: Nach oben war es jetzt genauso weit wie nach unten, und er wollte nach oben, weil er es so beschlossen hatte - ob es sinnvoll war oder nicht. Sein Schnurrbart war eisverkrustet, der schneidende Wind trieb ihm Tränen in die Augen, aber er kletterte weiter.
»He!« schrie ihm der Rabe erbittert nach. »Eins sag’ ich dir: Ich helf’ dir von jetzt an nicht mehr. Wenn du dich umbringen willst, dann tu’s allein. Ich hab’ nix für Helden übrig, ich hab’ Reißmatissimus, und ich hab’ deine Dickschädeligkeit
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