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Der Saubere Tod

Titel: Der Saubere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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sie konnte sich bewegen; sie sprach fast nur englisch mit amerikanisch-berlinischem Akzent, und in ihrem Schlepptau war Tag und Nacht Myra, eine kleine Dunkelhaarige, die ihr Leben auf einem Hocker in der Rosa-Bar verbrachte und die Daniela morgens immer den Tee ans Bett brachte, mit einem großen Glas Milch für die Stimme, um die 30   Zigaretten auszugleichen. Daniela unterhielt sich lange mit Johann, oder vielleicht probierte sie auch nur ihre Bühnenshow vor ihm aus; sie stakste vor ihm auf und ab, glitt auf einen der Gartenstühle, sprang wieder hoch und spuckte Amerikanismen aus dem Mundwinkel, gedehnt, Marlene Dietrich, lauschte deren Inhalt, den sie auf der Stelle vergessen hatte, mit gekräuselter Stirn hinterher; sie redete eine halbe Stunde, wandelte ihre Stimme von einem heiseren langgezogenen Timbre zu einem breiten ordinären Berlinerisch, stand dann seufzend auf und verschwand irgendwohin. Johann hatte alles vergessen, was sie gesagt hatte, aber es war irgend etwas Sympathisches gewesen.
    Stumm und geisterhaft huschte Sergej durch den Raum, den Kopf voller Speed und Chris Marker. Er wohnte mit Maria in den Zimmern hinter dem Bunker, einer schwarzgestrichenen unbeleuchteten Ausbuchtung des Flurs. Er kam aus Augsburg und studierte Sinologie. Er sah aus wie ein glattgebügelter Gandhi, seine Glatze glänzte, und in seinem Zimmer lag nur eine Tatamimatte. Er war fast nie in der Wohnung, er verbrachte die Nächte im Kino.
    Der große Raum war frei von Emotionen, was hinter den Türen geschah, ging niemanden etwas an. Die Wohnung roch nach Askese wie andere nach Bohnerwachs, und es war, als sei man übereingekommen, die Nerven aller vor Gefühlsäußerungen zu schützen, als würde jeder sich in der einfachen schmucklosen weißgrauen Weite von schweren Verletzungen erholen, Gefühlsverbrennungen dritten Grades,die in unbekannter verschwiegener Vergangenheit empfangen worden waren. Vielleicht war es aber auch nur Gleichgültigkeit. Der große Raum jedoch konnte vieles aufnehmen. Hier war Johanns Verhältnis zu Barbara von strikter Beiläufigkeit, so vogelleicht, daß während der ersten Tage niemand etwas davon bemerkte. Und selbst wenn, niemand hätte gefragt.
    Erst wenn sie abends in Barbaras Zimmer waren oder in der Stadt, ging sie aus sich heraus und erzählte vom Libanon, wo sie lange Zeit für ihre Zeitung verbracht hatte.
    Sie saß zurückgelehnt auf dem Bett, rauchte, und ihr Körper war ganz ruhig, aber ihre Augen waren nicht ruhig. Und die Bilder und Erinnerungen hinter ihren Augen drehten und spiralten sie immer weiter fort von Johann und von Berlin, und alles das war nur mehr lächerlich, das Stadtleben, das Zivilleben, und erst später kam sie langsam wieder zurück und näherte sich ihm und drängte sich an ihn, als wäre sie wirklich in diesem Moment in die Ruhe und Sicherheit der Stadt zurückgekehrt.
    Sie erzählte von dem Kollegen vom Fernsehen, der Tag und Nacht an der Bar des Hilton hockte und seine Scotchs mit einer müden Bewegung des kleinen Fingers bestellte und in die Spiegel hinter der Flaschenbatterie glotzte und die Bewegungen des weißgekleideten Mixers registrierte. Er saß mit dem Rücken zu den mit Matratzen verstopften Fenstern, während seine Einheimischen draußen mit der Kamera in den Schußfeldern herumkrochen. Wenn das Schießen vorbei war, riefen sie ihn an, wenn sie ein frisch zerschossenes Haus gefunden hatten, er wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser, zog ein frisches weißes Hemd an und eine Krawatte, fuhr hinüber, stellte sich vor die blutenden Einschußlöcher und sprach seinen Kommentar. Barbara lag während des israelischen Angriffs in einem der palästinensischen Löcher verschanzt, als die Bomben fielen. SiebzigBomben pro Minute, sie lagen Körper an Körper am Boden im Innern einer schlagenden Pauke, die Erde vibrierte gegen die Wangenknochen, der Putz rieselte auf sie herab, das Heulen und Explodieren war eins, und alles war gut, wenn man das Heulen hörte, und wie ihnen, taubgeworden, das Schlagen der Pauke selbstverständlich wurde, sie einander ansahen, sich aufsetzten in dem dunklen Keller und es im Sitzen abwarteten, wie es dann vorbei war und sie sich ins Freie wühlten, und die Sonne schien am blauen Himmel über der gelblichen Staubwolke.
    Johann saß ihr gegenüber und fragte immer wieder: Und wie war es? Und wie waren die Leute? Und Barbara erzählte von Arafat, den sie interviewt hatte, der lächelnd dasaß, Augen und Arme an allen Seiten,

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