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Der Saubere Tod

Titel: Der Saubere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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Antiquariat geführt, denn er las die Bücher lieber selbst, statt sie zu verkaufen. Dafür hatte er das Antiquariat verkauft, was ihm eine sechsstellige Summe einbrachte. Peter kannte ihn aus der Zeit, als Henna bei den noch unbekannten Neubauten gespielt hatte. Er war groß und hager, ein asketischer Mönch mit toten Augen. Neben ihm auf der Couch saß Horst, der halbe Mensch.
    Ich habe gehört, daß du die Boutiquen dichtgemacht hast, sagte Henna zu Peter.
    Ja, lief nicht.
    Es hatte sich doch ungeheuer angelassen.
    Zu ungeheuer, sagte Peter.
    Nicht dein eignes Geld?
    Peter lächelte ihn an.
    Warum hast du nicht mich gefragt?
    Peter zuckte die Schultern.
    Du hast dich überhaupt lange unsichtbar gemacht.
    Ja, vielleicht hätte ich mich melden sollen.
    Und wovon lebst du zur Zeit?
    Von nichts, sagte Peter.
    Das geht nicht.
    Von ihm, sagte Peter und deutete mit dem Kopf zu Johann.
    Planst du wieder etwas? Man hört nichts mehr von dir.
    Ich bin achtundzwanzig. Da ist es vorbei.
    Was für ein Unfug, sagte Henna. Ich bin auch achtundzwanzig.
    Wärst du bei den Neubauten geblieben, wärst du heute berühmt, sagte Peter.
    Oder tot. Und wer will schon berühmt werden. Geld will ich.
    Peter lachte auf.
    Du warst berühmt, sagte Henna. Oder beinahe.
    Peter winkte ab.
    Es hat gar keinen Sinn zu verzweifeln, sagte Henna. Es macht gar keinen Unterschied.
    Nein, sagte Peter.
    Ich bleibe gern anonym, wenn ich nur genug Geld habe.
    Peter nickte.
    Johann beobachtete Horst. Er hatte ihn nur von links gesehen, und er sah völlig normal aus, nur daß er krumm dasaß in der Ecke des Sofas. Er sagte kein Wort. Dann drehte er sich herum. Johann zuckte zusammen. Horst bestand aus zwei verschiedenen Hälften. Der Sprung lief mitten durch seine Längsachse. Das Gesicht war verzerrt, das rechte Auge und die rechte Hälfte des Mundes waren unförmig, das rechte Ohr ein verkrüppelter Champignon, der rechte Arm hing kurz und dünn an der Seite herab und endete in einer klauenähnlichen Kinderhand. Das rechte Hosenbein schlotterte, und als er aufstand, weil sie aufbrechen wollten, war es, als müßten die beiden ungleichen Hälften sich trennen und in verschiedene Richtungen davongehen. Horst wich den ganzen Abend nicht von Hennas Seite, und er sprach kein einziges Wort.
    Zu viert fuhren sie in die Innenstadt in eine Bar. Peter saß neben Henna. Sie unterhielten sich und lachten. Horst starrte schweigend in den Saal. Johann sah Peter an, der ihn nicht beachtete. Er begann zu trinken und trank, bis alle Musik und alle Stimmen und Bilder ihm zu einem gleichmäßigen Summen zusammenflossen und ihn selbst die Bewegungen zwischen Peter und Henna nicht mehr störten. Irgendwann nahm er durch einen Schleier wahr, daß Peter auf den Tisch stieg.
    Er stieg auf den Tisch, schweigend, und zog sich ohne Eile aus, bis er nackt war. Die Musik hörte auf, und der Raum lagin völligem Schweigen. Es war spät, und die Bar war nicht mehr voll, aber alle Augen richteten sich gespannt auf Peter, der nackt und ruhig auf dem Tisch stand, weiß, mit dunklen und grünlichen Schatten. Jeder erwartete eine Show, etwas Spektakuläres. Und es wurde spektakulär, wenn auch nicht so, wie sie es sich gedacht hatten. Peter begann zu tanzen, allein auf dem Tisch, im Dämmerlicht, und jemand verstand, und die Musik setzte wieder ein, leise, im Hintergrund. Peter tanzte für sich selbst, völlig versunken in seinen Bewegungen, er sah nicht nach rechts noch nach links, er blickte niemanden an, auch nicht Johann oder Henna. Er drehte sich, die Arme ausgebreitet um seine Pirouette zu balancieren, das Licht floß um seinen Körper, der nur mit den Zehenspitzen die Tischplatte berührte. Die Musik schien aus den Poren seiner Haut zu rinnen, er war völlig beherrscht und ganz auf seinen Tanz konzentriert. Niemand lachte, niemand holte laut Atem, der ganze Raum war gebannt von dem Bild der schattenschlagenden, lichtumflorten tanzenden Skulptur. Seine Würde war überwältigend. Als die Musik zu Ende war, schlug er die Augen auf, stieg vom Tisch, zog sich ohne Eile an und setzte sich wieder, aber es blieb noch eine ganze Zeit still um ihn her.
    Johann war zu betrunken, um noch etwas wahrzunehmen. Irgendwann standen sie auf und verließen die Bar, um noch in eine Diskothek zu fahren. Die frische Luft auf der Straße weckte Johann wieder etwas auf. Aber als er den anderen folgen wollte, hielt eine Hand vor der Brust ihn zurück.
    Nein, du bist zu besoffen.
    Von drinnen hörte er Peters

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