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Der Saubere Tod

Titel: Der Saubere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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Mann, ich weiß ja, du bist schön, muß mich doch immer zusammenreißen, immer und immer, immer lügen, dich muß ich nicht anlügen, nicht wahr, o mein Gott, du machst mich wieder kräftig, keiner weiß ja, keiner weiß, o Gott, keiner weiß, du, du, du bist so schön, ich will, bitte, ich will an dir riechen, trinken, ja ja, so jung, ich, immer wieder, es ist nicht – nur dieser Drang, weißt du, dieser furchtbare Drang, o Gott, immer so heimlich, laß mich vor dir hinknien, nein, laß mich, ich will knien vor dir, will knien, bin ja nichts, mit mir ist es doch aus, aber o Gott, wie schön du bist, wie schön, wie jung, wie schön.
    Johann lehnte an der kühlen gekachelten Wand und sah gegen die andere Wand, die im fiebrigen gelben Licht unscharf war. Er hörte dem Gestammel des Mannes zu, er sah ihn nicht da unten, er spürte nichts, er konzentrierte sich auch nicht darauf, er hörte ihn sprechen, dann hörte er ihn schmatzen, und er spürte Hände auf den Gesäßtaschen seiner Hose, Hände so belanglos wie in einer überfüllten U-Bahn . Er hörte den Mann schnaufen und schmatzen, dasSchmatzen klang komisch, Johann empfand es als peinlich für den schweren Mann. Dann hielt der Mann plötzlich inne und sah hoch.
    O Peter, wie schön du bist, wie stark, und ich seh alles, groß und blau für mich, o Peter, wenn wir jetzt doch woanders wären, im Wald, nackt, nicht wahr, o Gott, aber ich weiß ja, du willst dich mir nicht nackt zeigen, das bin ich dir nicht wert, ich weiß doch, aber wenigstens, hier, laß mich, laß mich deine Schuhe ausziehen, ich guck auf deine Füße und werd denken, du stehst ganz nackt vor mir, bitte bitte Peter, o bitte, laß mich, ja, ja, danke, danke Peter.
    Das Gefühl seiner nackten Füße auf den nassen kalten schmierigen Fliesen änderte plötzlich alles. Johann spürte die Kraft aus sich herauslaufen, als sei ein Hahn geöffnet worden, und das gelbliche Licht verschwamm, und da war die kühle Feuchte unter seinen Füßen, und da war das Schnaufen des Mannes und die Laute von draußen und das Summen der Neonröhre, und seine Knie wurden schwach und gaben nach, und er spürte die heiße Höhle, die sich um ihn schloß, zuwachsen und ihn aufnehmen, und das Schmatzen und das Schnappen drangen dort heraus, und Hände stützten seine weichen Knie, und er wollte hinein, ganz hinein in die Dunkelheit, in der sein Blut pulste, dessen Strom ihn mitriß, und er hörte, als alles in ihm sich zuspitzte und weiterrollte und auf den Abgrund zutaumelte, näher auf den Abgrund zu, die Stimme des Mannes: Peter, o mein Gott, Peter. Ja, jetzt, Peter, ich spür es, ja, ja, ja, Peter, o Gott, Peter, und dann war er über dem Abgrund und dann fiel er. Seine Kraft sickerte in den andern, in die Hände, die ihn jetzt umdrehten, ihn an die Wand drückten, und er spürte die Kühle an seiner Haut, und er hörte die Stimme, die heisere Stimme: O ja, Peter, und jetzt, o ja, mein Junge, mein böser böser Junge, aber jetzt, jetzt gib einmal acht, o ja, ja, nicht wahr, jetzt wird es anders, und er hörte, wieder Mann sich aufrichtete, sich hinter ihn stellte, und er spürte die Kacheln an seiner Wange und den nassen schmierigen Boden unter seinen Füßen, und dann wurde er an den Hüften gepackt, und es war, als gieße ihn jemand mit heißem Blei aus, als würde auf ihn geschossen, und die Kugeln durchschlugen seine Haut, und sein Inneres platze auf, und er wurde von der Wand gerissen und gegen die Wand gepreßt, fortgerissen und dagegengepreßt, weggerissen und dagegengestoßen. Nur noch seine Füße hielten den Kontakt zur kühlen festen Wirklichkeit, und er dachte: Ich bin schwach, ich bin schwach, ich bin schwach, ich bin schwach, und an seinem Ohr hörte er: Peter, Peter, Peter, mein böser Junge, nichtwahr, nichtwahr, nichtwahr, und dann noch schneller: Peter, Peter, Peter, und dann wurde plötzlich Stacheldraht aus seinem Körper gerissen, und er hörte das Rauschen einer Spülung aus der Nebenkabine, und in einer Welle von Ekel fiel ihm ein, daß er mit nackten Füßen in einer Lache aus Pisse und Straßenschmutz stand.
     
    Später lehnte er wieder an dem Pfeiler in der Halle. Draußen war es dunkel geworden, Windstöße trugen Verkehrsgeräusche und den Geruch von Regen in die Halle. Johann trank Bier aus einer Dose und verfolgte die Bewegungsmuster der menschlichen Körper, das Hin und Her, die Kreise, jetzt zentriert um den Kiosk neben dem Eingang. Wieder hatten die Schritte ihre Ursprünge und Ziele,

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