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Der Schachspieler

Der Schachspieler

Titel: Der Schachspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey B. Burton
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erwecken, als würde ihn der Verlust wirklich hart treffen und nicht bloß an der Oberfläche seines Imperiums kratzen. Doch er konnte murren, so viel er wollte, der Koordinator schüttelte nur den Kopf und lächelte. Der Mann kaufte es ihm nicht ab.
    Hartzell merkte schnell, dass Smith und Jones – oder vielmehr Vince und David, wie sie ihm eines Morgens beim Frühstück anvertrauten – nicht nur an seinem großen Wissen über die Finanzmärkte interessiert waren, sondern auch herausfinden sollten, wie groß der Goldschatz tatsächlich war, auf dem der alte König Drake saß. Hartzell fühlte sich wie Odysseus’ treue Gemahlin Penelope, als sie die Freier abzuwimmeln versuchte. Nur dass er nicht Nacht für Nacht das Totentuch auftrennte, an dem er am Tag webte, sondern mit allen Mitteln versuchte, seine speziellen Freier zu überzeugen, dass er im Laufe der Jahre trotz allem enorme Beträge an die Anleger ausbezahlt und ebenso viel für wohltätige Zwecke aufgewendet habe.
    Und während er die Belege für sein wohltätiges Engagement durcharbeitete, stieß Hartzell schließlich auf den Namen der gefräßigen Bestie in Chicago, den Namen des Mannes hinter den Kulissen. Er erinnerte sich, dass der junge Crenna von seiner lieben Tante erzählt hatte. Sie hatte eine Krebserkrankung überlebt, und Hartzell war ihr möglicherweise auf jener Spendenveranstaltung in der Windy City begegnet, die er zu seinem Bedauern vor Jahren besucht hatte. Der junge Crenna hatte von »Tante Nora« gesprochen. Immer wieder erstaunlich, was Google so alles ausspuckte. Hartzell fand schnell eine Zeitungslobeshymne über jene Spendenveranstaltung für die Krebshilfe. Im Organisationskomitee gab es nur eine Frau namens Nora: Nora Fiorella.
    Hartzell googelte ihren Namen und stellte fest, dass sie und ihr Mann wiederholt als Spender und Mäzen in Erscheinung getreten waren. Ihr Nachname kam ihm irgendwie vertraut vor, und als er ihr Bild in einem Zeitungsartikel sah, erinnerte er sich, nicht nur Mrs. Nora Fiorella begegnet zu sein, sondern auch ihrem Ehemann, einem stämmigen Kerl, die Hand geschüttelt zu haben. Hartzell wusste nicht mehr, worüber er an jenem Abend mit den beiden gesprochen hatte: Von seiner Seite kam bestimmt nicht mehr als die üblichen Phrasen, die er für solche Anlässe parat hatte, mit einem Lächeln und einem ordentlichen Schuss geheucheltem Mitgefühl für die gute Sache. Schon damals war ihm der Name Fiorella irgendwie bekannt vorgekommen, obwohl er sicher noch nicht mit der Tante des jungen Crenna zu tun gehabt hatte.
    Zunehmend beunruhigt gab Hartzell den Namen des Ehemanns der Crenna-Tante in die Suchmaschine ein und drückte die Enter-Taste. Immerhin hatte ihm der Koordinator verraten, dass Crenna senior nicht der Mann an den Schalthebeln war. Hartzell las in den Zeitungsartikeln, die ihm seine Suche geliefert hatte, und nach wenigen Minuten dämmerte ihm, mit wem er es zu tun hatte. Die unersättliche Bestie, die er in den letzten Wochen hatte füttern müssen, hatte jetzt einen Namen und ein Gesicht.
    Duilio »Leo« Fiorella.
    Man erfuhr nicht allzu viel in den Zeitungsartikeln über ihn, doch es war immer wieder von »Mangel an Beweisen«, von »widerrufenen Zeugenaussagen« und von »verschwundenen Zeugen« die Rede, sodass Hartzell durchaus zwischen den Zeilen zu lesen wusste. Was er hier fand, ließ ihn schaudern. Ein Artikel in der Sun-Times lieferte interessante Informationen über eine Bürgerrechtsgruppe , die Duilio Fiorella ins Leben gerufen hatte, um politischen Druck auszuüben, Gerichtsverfahren zu umgehen und in manchen Fällen sogar deren Mitglieder als Schläger losschickte, um Leute einzuschüchtern, die schlecht über die Fiorella-Familie schrieben. Das alles unter dem politisch korrekten Deckmantel, sich gegen diskriminierende oder anti-italienische Äußerungen zur Wehr zu setzen.
    Brillant , dachte Hartzell. Duilio »Leo« Fiorella war wirklich ein verschlagener Hurensohn: wahrscheinlich absolute Voraussetzung, wenn man das organisierte Verbrechen in der korruptesten Stadt des Landes kontrollieren wollte. Kein Wunder, dass der junge Crenna so selbstsicher auftrat. Es förderte das Selbstbewusstsein, wenn der eigene Onkel Chef der Cosa Nostra im gesamten Mittleren Westen war. Die Dampfwalze namens St. Nick hatte wahrscheinlich recht: Hartzell hatte sich wirklich in die Scheiße gesetzt.
    Hartzell traute den Telefonen in seiner Wohnung und seinem Büro nicht mehr. Er ging davon aus, dass

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