Der Schachspieler
die besten Plätze, um unauffällig Leute zu beobachten. Er erzählte ihnen, wie er herausgefunden hatte, wann die hübschesten Damen hier ihre Pause verbrachten.
Als er Mitte der zweiten Woche die beiden Buchhalter wieder einmal fragte: »Normal und extrastark?«, gelang es ihm, für zwanzig Minuten zu verschwinden. Natürlich hätte man die drei Becher Kaffee auch in zehn Minuten holen können, doch Hartzell schnappte sich auf dem Weg hinaus Stephanies Handy aus ihrer Handtasche, hob einen Finger an die Lippen, um sie zum Schweigen aufzufordern, zeigte mit einem verschlagenen Grinsen auf den Flur hinaus und eilte zu den Aufzügen hinüber. Stephanie, seine Empfangsdame, hatte überrascht zur Kenntnis genommen, dass die beiden Besucher jetzt täglich in der Firma erschienen. Steph hatte zwar keine Ahnung von Hartzells Machenschaften, doch sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er sich bei seinen Geschäften nicht gern über die Schulter schauen ließ. Deshalb leistete sie ihre Arbeit, für die sie ausgesprochen gut bezahlt wurde, mit der gebotenen Diskretion. Hartzell wusste nicht, ob die Leute aus Chicago etwas mit seinem Handy angestellt hatten, doch ihm war klar, dass es Mittel und Wege gab, seine Gespräche zu überwachen. Auch früher hatte Hartzell für bestimmte Gespräche nur saubere Handys verwendet, die sich nicht zu ihm zurückverfolgen ließen.
Hartzell fuhr mit dem Aufzug zwei Stockwerke hinunter und blickte sich kurz um, ehe er über den Flur eilte, um die Ecke bog und im Treppenhaus verschwand. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür, schloss die Augen, zählte langsam bis sechzig und lauschte nach verdächtigen Geräuschen oder Schritten. Schließlich lief er, zwei Stufen auf einmal, die Treppe hinunter und klappte Stephanies Handy auf. Im Treppenhaus zu telefonieren war für ihn nichts Ungewöhnliches: Von hier aus hatte er schon manch wichtiges Geschäft mit einem billigen Wegwerfhandy abgeschlossen, in Gesprächen, die einem eventuellen Lauscher nicht viel gesagt hätten.
Er eilte die Treppe hinunter, blökte laut hörbar ins Telefon, bestellte erst einmal drei Logenplätze für das nächste Spiel der Yankees und verharrte erneut eine ganze Minute zum Lauschen. Hartzell machte sich keine Sorgen wegen der beiden Buchhalter in seinem Büro: Hier im Treppenhaus würden sie ihn nie finden. Seine extreme Vorsicht galt dem unbekannten dritten Mann, dem gottverdammten Phantom, das ihn in der ersten Nacht mit dem Messer bedroht hatte. Der Kerl war Fiorellas gefährlichste Waffe. Nachdem Hartzell sich vergewissert hatte, dass der Killer nicht irgendwo hinter einer Topfpflanze lauerte, tippte er eine Nummer ein, die er sich vor langer Zeit eingeprägt hatte. Er sprach leise und nicht länger als sechzig Sekunden. Zwölf Minuten später kehrte Hartzell mit drei Bechern heißem Kaffee in sein Büro zurück und setzte sich zu den beiden Erbsenzählern, um das angeregte Fachsimpeln wieder aufzunehmen.
Am Ende der zweiten Woche schaute er kurz in einer Anwaltskanzlei im zwanzigsten Stock vorbei, deren Seniorpartner beide hohe Beträge bei ihm angelegt hatten, und erzählte ihnen, dass bei ihm gerade die Computersysteme ausgewechselt würden. Er fragte, ob er hin und wieder für einige Minuten einen PC benutzen dürfe, um ein paar E-Mails zu schreiben, bis die IT-Techniker fertig waren. Man versicherte ihm, dass er jederzeit kommen könne, und überließ ihm einen Computer in einem kleinen Konferenzzimmer, wo er ungestört war. Hartzell nahm sich vor, den beiden Partnern Karten für ein Musical zu schicken, das demnächst im Bernard B. Jacobs Theatre anlaufen würde, damit sie es sich mit ihren Frauen oder Geliebten ansehen konnten.
Fünf Minuten hier und da mit einem sauberen Telefon oder einem unbeobachteten PC – mehr brauchte er nicht, um die Dinge in Bewegung zu setzen. Er musste neue Pässe besorgen, Geld auf andere Nummernkonten transferieren, den Spieß umdrehen und einen letzten Berg versetzen, bevor er ihn diesem Duilio »Leo« Fiorella direkt in den Arsch rammen konnte.
Diese Mistkerle hätten Lucy niemals anrühren dürfen.
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B ist du sicher, dass du die Sache jetzt aufgeben kannst?« »Es kann Monate dauern, bis er gefunden ist, Terri. Westlow war auf diesen Tag vorbereitet, er hatte bestimmt eine Auswahl an falschen Papieren bereit und Verkleidungen besorgt. Irgendwann wird ihn ein Freund oder ein aufmerksamer Hotelangestellter verraten.«
Sie saßen nebeneinander beim
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