Der Schachspieler
der Straße. Bin praktisch obdachlos.«
»Freut mich zu hören, aber das ›Agent‹ können Sie sich sparen. Ich bin nicht mehr beim FBI.«
»Oje, das ist keine gute Idee. Sie müssen noch ein bisschen bleiben.«
»Was soll das heißen?«, erwiderte Cady sarkastisch. »Arbeite ich jetzt vielleicht für Sie?«
»Das nicht gerade, obwohl es mancher vielleicht so sieht, wenn ich daran denke, dass das FBI seit dem Gottlieb-Fall einen Maulwurf in den eigenen Reihen hat.«
»Einen Maulwurf? Bullshit.«
»Erwische ich Sie vielleicht in einem unpassenden Moment? Sie klingen so feindselig, Agent Cady.«
Er gab es auf, sich in der Menge umzublicken. Der Chessman konnte hier irgendwo auf dem Flughafengelände sein, aber genauso gut zehn Kilometer entfernt. Cady besann sich darauf, Informationen einzuholen.
»Wenn Sie mit Gottlieb nichts zu tun haben, was kümmert es Sie dann? Warum mischen Sie sich wieder ein?«
»Ich werde benutzt, um Sie irrezuführen.«
»Uns ist klar, dass da ein Copycat-Killer am Werk ist, Westlow. Sie wissen das. Darum interessiert es mich, warum Sie wieder aufgetaucht sind. Jetzt wissen wir, dass Sie nur untergetaucht waren.«
»Sie haben das ja vielleicht schon vermutet, seit der Nacht im Hotel.«
»Mag sein, aber es gab immer Zweifel, und viele, die das nie geglaubt hätten. Aber jetzt haben Sie alle Zweifel beseitigt. Kein guter Schachzug, geradezu stümperhaft. Und da das nicht Ihre Art ist, frage ich noch einmal: Warum mischen Sie sich wieder ein?«
Schweigen.
»Um Himmels willen, Westlow, Marly ist seit dreizehn Jahren tot«, sagte Cady, um Westlow aus der Reserve zu locken. »Warum hängen Sie sich immer noch daran auf?«
Westlow schwieg beharrlich. Cady verlangsamte seine Schritte und konzentrierte sich ganz auf das Gespräch, statt auf den endlosen Strom der Fluggäste zu achten.
»Sind Sie noch da, Westlow?«
»Liebe kennt kein Ablaufdatum, Agent Cady … Das ist nicht wie bei einer Milchpackung.«
Cady trat aus der Menschenmenge heraus, um über Westlows Worte nachzudenken. Er wusste nicht recht, was er davon halten sollte, und kam auf Westlows Bemerkung über das FBI zurück.
»Wie kommen Sie darauf, dass es einen Maulwurf beim FBI gibt?«
»Haben Sie etwas zum Schreiben bei sich?«
»Ja.«
»Sie müssen sich eine Adresse notieren.«
Cady kritzelte sie auf seine Handfläche. Er wollte Westlow fragen, was es damit auf sich hatte, doch die Leitung war bereits tot.
Cady ging zu seinem Gate zurück. Terri stand da und erwartete ihn. Die Passagiere strömten bereits zum Flugzeug.
Die beiden sahen sich einige Sekunden schweigend an.
»Ich weiß«, sagte Terri schließlich. »Fang ihn, Galahad.«
Cady lächelte gequält. »Sehr witzig.«
34
Eine Woche zuvor
M ein Gott … Sie haben sie umgebracht.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie quatschen, Drake.«
»Warum Elaine Kellervick?« Hartzells Gesicht war kreidebleich. Mit gummiweichen Knien sank er gegenüber dem Koordinator in den Esszimmerstuhl. »Sie hatte nichts in der Hand, das müssen Sie doch wissen. Sie haben doch sicher unser Telefongespräch mitgehört.«
»Sprechen wir hier von den tragischen Opfern dieses Serienmörders, den man den Chessman nennt?«
Hartzell fühlte sich völlig erledigt, seit er letzte Woche von der Ermordung von C. Kenneth Gottlieb in seinem Haus in Georgetown gehört hatte. Das können sie doch nicht getan haben, dachte Hartzell, selbst wenn er auf die Gefahr hingewiesen hatte, die ihm vom neuen Vorsitzenden der Finanzaufsicht drohte. Es war absoluter Wahnsinn und würde ihnen höchstens eine Frist von einem Monat bringen, bis der Präsident einen neuen Bluthund ernannte. Die Medienberichte deuteten darauf hin, dass der Mord von einem Nachahmungstäter jenes Mörders begangen worden war, der vor einigen Jahren die Ostküste in Angst und Schrecken versetzt hatte. Dann kamen Hinweise, dass der eigentliche Chessman gar nicht tot sei, sondern bloß untergetaucht, dass er die Behörden getäuscht habe.
Einen Tag nachdem der Gottlieb-Mord zum beherrschenden Thema in den Medien geworden war, hatte Hartzell ein unangenehmes Gespräch mit dem Koordinator. Hartzell druckste zuerst herum und versuchte ihn auszuhorchen, bis der Mann aus Chicago ihn verwundert ansah.
»Was wollen Sie eigentlich damit andeuten, Drake? Glauben Sie vielleicht, ich habe Gottlieb umgebracht?« Der Koordinator schlug mit der Hand auf den Tisch und lachte hysterisch. »Also wirklich, Sie haben doch die ganze
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