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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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einem Rückwärtssalto gegen die Wand des Schachtes prallte und bei seinem Fall an Geschwindigkeit gewann. Dann platschte er auf und versank.
    Panik-Endorphine überfluteten sie und machten aus Jonathans Namen einen lauten Klageruf. Jamaica hatte zuvor nie geschrien und tat es auch jetzt nicht.
    Sie hörte ihn ein leises Geräusch von sich geben. Huuuh. Wie der Geist, den Cruz sich eingebildet hatte, der exotische Bewohner des Kenilworth. Es war ein zufriedenes Schnurren, fast sexuell.
    Sie stellte sich vor, wie er abgestürzt war, der Schädel eingeschlagen und das, was den Müllbeutel durchstochen hatte, jetzt aus seiner Brust ragend. Oder durch die Kehle.
    Egal, was sie jetzt dachte, es änderte nichts.
    Sie hing immer noch aus dem Fenster. Noch fünfzehn Sekunden. Sie hörte es blubbern. Sie rief noch einmal seinen Namen … aber diesmal leiser, sich bewusst, dass es mit ihm vorbei war, dass er von jetzt an der Vergangenheit angehörte.
    Auf dem Toilettendeckel lag die Pistole zu ihrer Verfügung, ein Zepter der Macht. Du tust, was ich sage. Richte das Zepter auf sie, und sie gehorchen deinen Befehlen. Damit kommst du ohne Vollmachten oder dumme Fragen in das Appartement im ersten Stock. Damit kommst du durch, damit du nachsehen kannst. Herausfinden, was passiert ist. Und dann solltest du deinen wohlgeformten Arsch in Bewegung setzen, Lady, denn du hantierst mit einer illegalen Feuerwaffe und mit so einer Menge noch viel illegalerem Stoff, dass du damit in einem Hotel auf Staatskosten untergebracht wirst, bis deine verdammten Augen grau werden.
    Ein wichtiger Teil von ihr wollte bleiben und weiter sinnlos aus dem Fenster rufen. Ein noch wichtigerer Teil wollte einfach nur abschalten, einen tiefen, unschuldigen Schlaf ohne Träume. Sie zwang sich dazu, sich zu bewegen. Es war, als wate sie durch Watte.
    Die Keksdose war mit durchsichtigem Packband versiegelt. Als sie versuchte, es abzulösen, gelang es ihr nur, den Deckel abzureißen, wobei ein geriffelter mattschwarzer Kolben zum Vorschein kam. Als sie die Dose schüttelte, hörte sie, wie die Munition in ihr schwer hin und her rollte. An die Innenseite der Dose waren auch zwei bereits geladene Magazine geklebt. Die stumpfen Kupferenden der obersten Projektile lugten hervor. Winzige phallische Symbole in militärischer Formation. Sie nahm die Pistole heraus und bekam das Magazin beim ersten Versuch hinein. Sie meinte, sie wisse, was sie mit der Waffe zu tun hatte.
    Sie war auf dem Weg zur Tür heraus, festen Schrittes, zielbewusst und mit gezogener Waffe, als sie fast mit Cruz zusammenstieß, der aussah, als sei er gerade von einem Schlachtfeld heimgekehrt.

23.
    Manchmal erinnert sich der Ort an Öffnungen. Das weiß die Katze.
    Die Katze weiß nicht, was ein Gebäude ist. Sie kennt nur Orte. Sie kann nicht wissen, dass das Gebäude älter ist als sie selbst, dass die Backsteine, die seine Mauern bilden, selbst die Teile von früheren Gebäuden sind, die längst eingerissen wurden.
    Die Katze hat keine Begriffe für Alter oder Tod oder Zeit, auch nicht für Zeit zum Sterben. Das sind alles menschliche Begriffe.
    Das Kenilworth Arms ist aus den Komponenten von Gebäuden zusammengemauert worden, die lange tot sind. Für die Katze riechen die Steine instabil.
    Die Katze hält inne bei ihrer neuesten Erforschung des Kellers. Sie ist immer auf der Suche, zieht aber nie irgendwelche Schlussfolgerungen. Sie weiß nur, dass sich an diesem Ort neue Durchgänge öffnen und schließen wie Sonnenflecken. Es gibt Löcher, die für einen Augenblick existieren und das Erdgeschoss mit dem Dachboden verbinden oder das östliche Treppenhaus mit dem Westflur. Und dann schließen sie sich wieder nahtlos. Die Katze lernt, wie sie sich diese faszinierend zufälligen Durchlässe zunutze macht. Wie man wieder aus ihnen herauskommt, bevor sich der Ort deutlich genug an seine eigene Struktur erinnert und wieder feste Wände dahin packt, wo sie hingehören.
    Manchmal kommt die Katze am anderen Ende blutig oder dreckig an. Die Katze hasst das, aber nicht genug, um sich von diesen seltsamen Löchern fernzuhalten, die sich öffnen oder schließen wie fototropische Blüten.
    Jetzt erstarrt die Katze alarmiert. Sie fühlt die Nähe von einem anderen Lebewesen. Sie duckt sich und schleicht Pfote um Pfote voran, um die Ecke zu erkunden.
    Ein großes schlafendes Tier versperrt den Tunnel. Die Katze findet diesen Tunnel ungemütlich. Es ist zu heiß, zu feucht und zu glitschig hier drin. Sie hat

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