Der Schacht
Stelle war, kletterte er hoch, mit der Waffe zuerst. Nichts.
Der Schacht war trübe und schimmerte vage. Man sah Umrisse, aber so gut wie keine Details. Cruz Augen passten sich der Dunkelheit an, und er fühlte einen Schmerz, der von seinen Schläfen nach hinten zog. Die dünnen Beinchen des Tisches wackelten. Ungefähr drei Meter über der Kabine vermeinte er den Streifen toter Dunkelheit zu sehen, der um den Schacht herumlief.
Niemand außer ihm kannte diesen geheimen Spalt. Nun … er und noch ein Bewohner, von dem man aber in Bälde in der Vergangenheitsform reden musste.
Es gab keine praktische Möglichkeit hinaufzuklettern, einarmig und mit der Pistole im Anschlag, wenn er nicht das Monsterbaby bitten wollte, ihm zur Hand zu gehen. Er hörte das Tischbein brechen, gerade bevor er bei dessen Einkicken die Balance verlor. Er wedelte mit dem Arm und versuchte sich an der Luke festzuhalten. Er griff daneben und erreichte sie dann doch noch, gerade als er zu fallen begann. Er erwischte die Metallkante mit den Fingerspitzen und fühlte, wie die scharfe Kante bis auf den Knochen schnitt. Seine Finger rutschten ab und er fiel in die Ecke, in der er das Monsterbaby zuerst gesehen hatte.
Er prallte auf dem Boden auf. Warmes Blut sickerte ins Innere seines Jackenärmels. Die Kabine hüpfte wie eine schlechte Matratze, und sein Hinterkopf schlug gegen die Kabinenwand und rutschte so zögerlich an ihr herab, dass er glaubte, er würde skalpiert.
Gott, wie er dieses Gefühl hasste, sich zu schneiden! Diese Empfindung, wie die dünne Kante durch die Haut schnitt und auf den Knochen traf. Er dachte daran, wie eine Klinge sich in das schwielige weiche Fleisch des Daumens fraß, wenn man in der Küche einen dummen Unfall hatte. Vielleicht war das der Grund, warum seine Angst vor Emilios Rasiermesser immer so grundsätzlich gewesen war, eine Angst, die weit über das hinausging, was er einem tatsächlich antun konnte. Cruz wusste, wie sich das geschliffene Platin anfühlen würde, wenn es durch ihn hindurchschnitt und dieses flüssige rote Zeug freisetzte, wie es ohne jeden Widerstand durch das Gewebe gleiten würde, tief hinein, denn das war es, was die geschliffene Klinge tun sollte, und gut tun sollte, schneiden, schneiden …
Die Fahrstuhlkabine bewegte sich. Abwärts.
Die Türen hatten sich nicht die Mühe gemacht, sich zu schließen. Gerade als Cruz daran dachte, sich hinausfallen zu lassen, kam der erste Stock rasend schnell auf ihn zu und war schon vorbei. Er umklammerte seine blutende Faust und sah, wie seine Fluchtmöglichkeit in Sekundenbruchteilen kam und wieder ging.
Frisches Blut tropfte zwischen seinen Fingern hindurch. Es war die einzige Farbe, die er noch hatte. Im Lauf der letzten Viertelstunde war er leichenblass geworden.
Die Kabine stoppte mit der Leichtigkeit eines Sofas, das die Feuerleiter heruntergeworfen wird. Cruz hatte sich noch nicht wieder auf die Knie gerappelt, als der Aufprall ihn nach vorn warf. Er stieß sich seinen Kieferknochen hart an der anderen Wand der Kabine, und der verletzte Arm wurde in seiner Schlinge unsanft gegen die Wand geschmettert. Der kaputte Tisch und Jonathans Rucksack schlitterten auf ihn zu; die Kabine hielt in einem schiefen Winkel. Er hörte, wie die Federn und die Kabel ächzten. War er gerade in einem Fahrstuhl zwei Stockwerke tief abgestürzt?
Dieses gedämpfte Platschen, das kannte er schon.
Wut überfiel in so heftig, dass er fast daran erstickte. Er kramte die automatische Pistole hervor, die er hatte fallen lassen, legte den Sicherheitshebel um und feuerte auf die Wartungsluke, gerade als das Ding mit den Stielaugen, das so aussah wie das Velasquez-Blag, sein zähnestarrendes Gesicht für einen kurzen Blick vorschob. Einer, zwei, drei Schüsse. Ausgeworfene Projektilhülsen klapperten und rollten umher, während die Explosionen in der engen Kabine Cruz Ohren betäubten und ihm die Luft aus den Lungen saugten. Sein überempfindlicher Sinnesapparat erlaubte es ihm zu sehen, wie sich die erste Kugel in die rechte Augenbraue der Kreatur bohrte. Das Ding wurde zurückgerissen und blieb außer Sicht. Das Dach der Kabine bekam zwei weitere qualmende Löcher, während eine Can-Can-Truppe in Cruz Kopf versuchte, ihm von innen die Augen herauszutreten. Einszwei, bumm-cha-cha …
Die Waffe fiel ihm aus der Hand, schlüpfrig geworden durch sein eigenes Blut.
Wieder hatte die gottverdammte Kabine angehalten, wo es ihr Spaß machte. Nur ein freier Spalte zeigt sich
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