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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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sein Essen. Miss Spatz zwei Tische weiter sprach ein Wort aus, das man normalerweise nicht in den Mund nimmt.
    »Da passiert noch mehr Scheiße.« Bashs Augen deuteten auf die Neonleuchten an der Decke.
    Der nächste Ansturm des Windes ließ Miss Spatz zusammenzucken. Ihr Wasserglas entglitt ihren Händen. Hinter den Fenstern sah man nur weiße Wirbel. Draußen war nichts als eisige Kälte und eine Welt voller Schmerzen.
    Das Radio in der Küche verstummte, als der Strom erneut ausfiel und diesmal ausblieb.
    »Lass dir nachschenken«, schlug Jamaica vor. »Es sieht so aus, als säßen wir hier noch eine Weile fest.«

30.
    »Ich muss. Hier raus.«
    Cruz vergaß. Was er auch geschrien haben mochte, als er die dunkle Gestalt gesehen hatte, die in dem Tunnel auf ihn wartete, er hatte jede Erinnerung daran verloren, sobald es ihm über die Lippen gekommen war. Sein Verstand weigerte sich, das zu verarbeiten, was seine Augen in dem trüben Licht sehen konnten.
    Der Schattenmann kam einen weiteren unbeholfenen Schritt näher. Die zerrissenen Handschuhe schimmerten organisch grün, in der einen Hand das Klapp-, in der anderen ein Rasiermesser. Aus einem halben Gesicht musterten ihn unverkennbar Jonathans grüne Augen.
    Cruz versuchte, seinen Blick abzuwenden. Auch das gelang ihm nicht.
    »Jonathan …?«
    Die Motorradjacke war im letzten Stadium des Verfalls, rostüberzogen. Die Nieten und Sicherheitsnadeln, die den verblichenen Jeansstoff und das verfaulte Leder zusammenhielten, waren alle zu einem Müllhaufenbraun verrottet. Durch die Fetzen und Streifen des Leders schimmerte die fahle Leblosigkeit von totem Fleisch und das dumpfe Rostbraun getrockneten Blutes durch.
    Ein weiteres Auge, dieses wässrig blau, war in die herabhängende, teigige Masse der einen Wange eingesetzt, wo das lose herabhängende Fleisch es fast völlig bedeckte. In dem zerstückelten Durcheinander der Kehle saßen noch weitere Augen zwischen den Falten und Schnitten und Rissen. Ein aquamarinblaues Auge blitzte wie ein Diamant. Ein tiefbraunes schien im Sterben zu liegen. Eines mit einem geplatzten Äderchen zwinkerte Cruz zu. Sie alle spiegelten verschiedene Aspekte der Persönlichkeit dieses Monsters.
    Es gab nur ein Echo von Atemzügen in dem Tunnel. Es war nur Cruz, der kurz, flach und heftig atmete, immer mit einem schwachen Pfeifen wegen des Kokains. Die Gestalt vor ihm atmete keine Luft. Wenn sie sprach, vibrierten die Stimmbänder, wie das Rascheln trockener Wüstenluft über die welken Blütenblätter toten Fleisches. Cruz konnte sehen, dass Schleim aus dem nach unten gezogenen Spalt des Mundes tropfte. Es sah aus, als würde diese Figur zur gleichen Zeit sprechen, husten und Joghurt kotzen.
    »Cruz.« Der Schleim lief über das Kinn.
    Ein blutiger Schopf schneeweißen Haars bildete sich da, wo eigentlich ein Ohr sein sollte. Der Streifen eines orangefarbenen Irokesenschnitts direkt auf der Schädelkuppe wurde durchbrochen von Stellen blanken Knochens, glänzend und verschorft.
    »Jonathan?«
    »Nicht.« Die Gestalt hustete. Die Joghurtmasse war jetzt von Blutfäden durchzogen. Sie machte einen weiteren Schritt, und Cruz konnte den langen Fingernagel des kleinen Fingers sehen, dort, wo die Gestalt das Klappmesser hielt.
    »Keinen Schritt weiter.« Cruz hatte seinen Verstand wieder beisammen und die Sig Sauer gehoben.
    Eine Welle lief durch die Kreatur. Anders konnte man es nicht beschreiben. Cruz sah, wie die gesamte Oberfläche erzitterte, als wäre das nur eine Hülle aus totem Fleisch, unter der eine Unzahl von Käfern am Werk war.
    Er musste um seinen Halt kämpfen. Hatte der Boden sich bewegt, oder spielte das Kokain ihm Streiche?
    »Du hast gegeben«, sagte der zusammengestückelte Leichnam. »Gib noch mal.«
    Na gut, er war jetzt also total durchgedreht und sah das alles hier gar nicht. Das war alles nicht wahr. Er hatte Schmerzen. Er wollte nur noch weg.
    »Gib«, wiederholte das Ding.
    Cruz kannte die Stimme.
    Es war die Zombieparodie eines jeden Schulkindes, das die Kohle für seine wöchentliche Crackration nicht zusammenbekam.
    Eine faulende Klaue hob sich und rammte das Springmesser in die Wand des Tunnels. Das Metall teilte sich wie fetter Speck, als es in einer blutenden vertikalen Linie aufgeschnitten wurde.
    Blut begann sich um die verdreckten Springerstiefel der Kreatur zu sammeln.
    Gib. Cruz könnte natürlich fragen, was. Er könnte auch sonst noch mehr Zeit verschwenden.
    Das Monster streckte den anderen Arm aus. Das

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