Der Schacht
hätten.
»Wir haben hier gewisse Standards, die eingehalten werden müssen, Mr Cruuse«. Fergus hatte das nicht sonderlich laut gesagt. Cruz hätte sich vor Lachen fast eingenässt.
Cruz’ Zimmer mit Bad firmierte als »Studio«. Der Teppichboden hatte zu einem Teppich ungefähr das gleiche Verhältnis wie eine Eiterbeule zu gesundem Fleisch. Er hatte den Kühlschrank bekommen, um den er gebeten hatte. Er stand jetzt in einem türlosen Alkoven, der einmal ein Bett beherbergt hatte. Zwei große Schiebefenster sahen auf die Garrison Street hinab. Wenn die Zentralheizung ansprang, beschlugen meist die Fenster. Es war ein Dampfbad, selbst im Winter, weil die Wärme von den unteren Etagen nach oben stieg. Das Haus war erbaut worden, lange bevor man etwas von Wärmedämmung gehört hatte.
Erstaunlicherweise war das Badezimmer vor kurzer Zeit neu gefliest worden, und alle Wasserhähne funktionierten, ohne zu tropfen. Die Toilette arbeitete einwandfrei. Wenigstens in dieser Beziehung war das Haus bescheiden, aber ordentlich.
Cruz war pflichtgemäß als Bauhaus’ neuer Laufbursche eingeführt worden. Die Oakwood-Jungs waren ein Yuppie-Zoo von blonden, breitschultrigen Muskelmännern mit festem Handschlag, Reklamepostergrinsen und arischen blauen Augen wie der Schnee auf Videobildern. Alles angehende Medizinstudenten oder Juristen. Man hatte direkt die Reißverschlüsse vor den Vaginen ihrer Freundinnen vor Augen. Cruz verdealte die 70-prozentige Mischung von Bauhaus, die er noch einmal mit zehn Prozent zerstoßenem Aspirin versetzt hatte. Die Flaschen aus Oakwood merkten den Unterschied sowieso nicht, und das Zusatzgeschäft konnte man immer brauchen. Cruz behielt einen Teil der Spitzenmischung, die aus dem mittleren Haufen, für den eigenen Gebrauch.
Es dauerte nicht mal eine Woche, und er langweilte sich zu Tode. Er war Chicago frontal angegangen, mit nichts außer dem Hemd, das er auf dem Leib trug, aber sich neu auszustatten war kein Problem gewesen. Er besorgte sich einen Ghettoblaster und vierzig Tapes, Stiefel, neue Kleidung und Winterklamotten inklusive einer nagelneuen Bomberjacke in Ninjaschwarz mit leuchtfarben abgesetzten Reißverschlüssen. In seiner Fantasie war er Schwarzenegger, der sich zum Kampf bereit machte. Bombastische Musik begleitete jede Bewegung.
Und es passierte einfach gar nichts.
Er hatte sich mit rosa Shit aus Peru auf Touren gebracht und beschlossen, gründlich das Badezimmer zu schrubben. Da hörte er zum ersten Mal den Geist des Hauses, der vor sich hin stöhnte.
Es war halb zwei morgens. Es gab immer ein Chaos der verschiedensten Geräusche in den drei Stockwerken der von Fergus beherrschten Sicherheitskatastrophe: Stereoanlagen, die gegeneinander andröhnten, zuschlagende Türen, zeternde spanische Stimmen, die die Korridore auf und ab hallten. Cruz hörte einen spitzen Schrei, der darauf hindeutete, dass das schwarz-weiße neuverheiratete Paar in 314 sich wieder Richtung Scheidungsrichter oder Knast prügelte. Irgendein abgehalfterter weißer Bastard schlurfte in der Eingangshalle herum und brabbelte, die Juden hätten das ganze Land unterwandert. Cruz hatte diesen Bewohner das erste Mal vor der langen Reihe der Briefkästen gesehen. Er schien immer gleich herumzulaufen – karierte Socken und Pantoffeln, hochgezogene Hose, Hemd und Krawatte. Seine Züge wurden von einer Säufernase unter den harten mintblauen Augen und dem weißem Haar à la verrückter Professor dominiert. Wenn die Post zu spät kam, waren die Juden dran schuld. Wenn sie kam, dann waren es nur Rechnungen von geldgierigen Juden. Wenn es Werbung war, dann – wer hätte das gedacht – waren es wieder die Juden, die versuchten, das Land mit Reklame zu überschwemmen, um sich zu bereichern. Der Briefträger war zweifellos ein Attentäter des Mossad. Cruz war über all diesen unheimlich wichtigen Mist aufgeklärt worden, als er gedankenlos die erste und einzige Frage des alten Mannes beantwortet hatte.
Sind Sie oder waren Sie jemals …?
Die winzigen Heizer an Cruz’ Schädelpfanne schickten ihm eine dringende Anfrage. Cruz lieferte ihnen augenblicklich eine Ladung für ihre winzigen Schäufelchen, einen links, einen rechts, ein bisschen mehr für das Linke, damit es auch wirklich gerecht verteilt war. Die Verteilfläche war sein Handrücken. Mit den Überresten massierte er seinen Gaumen. Einmal niesen und dann Entspannung bei 78 UpM. Er spülte jedes Nasenloch mit einem Schluck Wasser aus dem Wasserhahn frei,
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