Der Schacht
deinen Ghettoblaster eine Zeit lang leihen müssen.« Bisher hatte nur Bash etwas von den ganzen Kompromissen, und Jonathan fand, dass er auch ein paar Forderungen stellen konnte. »Die Bude hat einen Vorteil.«
»Der wäre?«
»Ich kann von da aus zu Fuß zur Arbeit gehen. Selbst im übelsten Wetter kann ich auf Schusters Rappen nach Rapid traben.«
»Im übelsten?« Bash gluckste. »Kumpel, du hast noch nicht gesehen, wie übel das hier werden kann. Noch nicht.«
8.
Es ging mindestens drei Stockwerke tief runter, und Cruz dachte, gottverdammt, Leute, da unten drin könnte jemand krepieren.
Fergus, der Hausmeister und das Überflüssigste, was im Kenilworth Arms herumlief, hatte ihm verraten, dass dieser Abgrund ein Ventilationsschacht war, obwohl Cruz beim besten Willen nicht nachvollziehen konnte, wie der irgendetwas belüften sollte, es sei denn, man hatte ein Faible für die Toilettenausdünstungen seiner Nachbarn.
Wenn man in der Badewanne stand, konnte man aus einem winzigen 30 mal 60 Zentimeter großen Fenster hinaussehen. Auf der anderen Seite des Abgrunds, ungefähr drei Meter entfernt, konnte man ein weiteres Badezimmerfenster sehen. Andere schlossen sich nach oben und unten auf allen drei Seiten an, schwarz und blind wie Badezimmerfenster nun einmal werden, trübe durch Schimmel und diverse Lagen Seifenschaum.
Der Schacht selbst war von rostigen Stahlrohren gesäumt. Wann immer jemand in diesem Teil des Gebäudes wusch, hörte Cruz ein blechern tropfendes Geräusch. Von seinem Aussichtspunkt im oberen Stockwerk aus konnte man selbst mit einer Taschenlampe den Boden nicht erkennen, aber dem Geruch nach zu urteilen, musste sich da eine beträchtliche Menge Abwasser und Moder und Fäkalien angesammelt haben. Es war schon eine Aufgabe für einen Gewichtheber gewesen, dass brüchige Fenster auch nur zur Hälfte aufzukriegen, und alles, was es ihm eingebracht hatte, war ein Geruch, der an feuchten Dünger erinnerte.
Jenseits des Fensterbrettes war es unvorstellbar dunkel, erstickend eng. Cruz konnte nach oben oder unten hin absolut nichts erkennen. Oben auf dem Dach war die Öffnung des Schachtes wahrscheinlich durch den Schneefall verstopft.
»Belüftung. Dass ich nicht lache.« Er knallte das Fenster wieder zu. Vom Rahmen platzten Farbreste ab.
Es war eine Bruchbude. Aber es war ein Heim, weil es keinen anderen Ort gab, wo er hingehen konnte. Und vor allem gab es hier keinen Bauhaus.
In Bauhaus feuchtem Traum einer Junggesellenbude herumzuhängen hatte für ihn so ungefähr den gleichen Reiz wie Hämorrhoiden; Bauhaus war nicht nur ein Kokainhändler, er war das Klischee eines Dealers in schönster Übertreibung. Er spielte vollkommen die Rolle eines Dealers und verbrachte den halben Tag mit dem Ohr an seinem Handy, und die andere Hälfte mit Prahlen und Protzen. Der Mann war ein fettes Schwein, lethargisch und träge. Innerhalb von Sekunden hatte Cruz eine lebenslange Aversion gegen Bauhaus’ wieherndes Lachen entwickelt. Er gehörte zu der Sorte Mensch, die alle ihre dummen Witze mit einem halben Kichern begleitet, damit all die armen Schweine rundherum wissen, dass sie jetzt auch besser laut mitlachen, weil es ihnen sonst schlecht ergehen könnte. Bauhaus produzierte dieses Lachen oft in der Öffentlichkeit, wenn er mal eben beim Essen 500 Dollar ließ und guten Champagner dafür verschwendete, seinen Tagesfang vom Baby-Koksnuttenstrich spazieren zu führen. Es war alles nur Fassade für seine Kontaktpersonen in der Stadt – ein Haufen stoppelbärtiger Schwanzlutscher mit Bolo-Krawatten. Alles nur Fassade.
In jener ersten Nacht hatte Cruz sich noch umgesehen und einen Blick in Bauhaus’ Allerheiligstes geworfen. Er fand Bauhaus weggetreten und nackt, wie einen erstickenden Wal schnarchend und an etwas Dreizehnjähriges geschmiegt, das deutlich ein Junge war.
Er war Cruz nicht vorgestellt worden.
Cruz hatte den Schneesturm in seinem Gehirn schließlich so weit lichten können, dass er auf dem Sofa in der runden Liegewiese eingedöst war. Zwei Stunden später erwachte er, weil die wiederaufgelebte Chari fleißig seinen Schwanz mit ihrem Mund bearbeitete. Wenn sie sich die Nase mit dem weißen Stoff gepudert hatte, dann war sie wie etwas aus einem Monsterfilm – Oral-Zilla. Er hatte nicht bemerkt, wie ihm seine Hosen auf die Knie heruntergezogen wurden. Eine Flucht gestaltete sich schwierig, aber er gab sich auch keine große Mühe.
Er begnügte sich einfach damit, seine Konzentration
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