Der Schädelring: Thriller (German Edition)
bereits umgedreht und zog sie hinter sich her zum Bach. Er half ihr über die schlüpfrigen Steine. Julia kletterte das schlammige Ufer empor und hielt sich an einer vertrockneten Weinrebe fest. Walter verlor beinahe das Gleichgewicht und wäre hingefallen, wenn Julia ihn nicht am Hemd gefasst und auf die Böschung gezogen hätte.
Sie rannten weiter, Walter voran und Julia hinterher. Sie hielt die Arme in die Höhe, um ihr Gesicht vor den zurückschnellenden Zweigen zu schützen. Sie blieb an Dornengebüschen hängen und schlug die Zehen an einem Stein an. Einmal glaubte sie, aus dem Augenwinkel eine Bewegung zu sehen und schrie beinahe auf. Als sie hinschaute, sah sie jedoch nur mehr Bäume und stille Schatten dazwischen.
An einem Hügel angelangt, verlangsamten sie ihre Schritte. Sie kletterten zu einer Waldlichtung hoch. Zerklüftete Granitfelsen ragten über den Rand des Abhangs hinaus. In der Mitte der Lichtung saß ein fetter grauer Felsbrocken, der durch die Witterungseinflüsse glatt geschliffen war. Zwischen den Bäumen hindurch sah Julia die Berge, die blau und rauchfarben dahin rollten. Wolkendecken schwebten über dem wellenförmigen Land. Unter normalen Umständen hätte die Landschaft einen friedlichen und sanften Eindruck hinterlassen. Die Bäume jedoch, die die Lichtung umgaben, waren etwas zu knorrig und die Astlöcher sahen aus wie obszöne Augen.
„Dies ist der Ort, an dem sie das Mädchen gefunden haben“, sagte Walter und rang nach Atem.
Julia schaute sich um. Flacher Stein, der sich kalt gegen den Rücken anfühlte. Böse Menschen um sie herum. Die Klinge des Messers berührte ihren Bauch.
Ihre Muskeln zitterten vor Anstrengung, doch sie getraute sich nicht, sich auf den Stein setzen. Der Ort fühlte sich böse an wie die Scheune in ihrem Elternhaus in Memphis. Die Luft schmeckte giftig und schlechte Energie drang durch die Sohlen in die Füße.
Julia wunderte sich, wie viele andere Altäre existierten, auf denen Menschen geopfert wurden. War die ganze Erde mit Blut und Knochen besudelt, mit der Substanz der Unschuldigen zur Befriedigung eines anspruchsvollen Meisters? Der Teufel existierte womöglich nicht, seine Anhänger jedoch schon. Seine Anhänger waren zahlreicher und weiter verbreitet, als sie angenommen hatte.
Walter kniete mit dem Rücken zu ihr und suchte im Wald unterhalb nach Zeichen von Sneads Leuten. „Hartley verschwand gerade, nachdem sie die Leiche gefunden hatten.“
„Hat die Polizei nichts unternommen?“
„Hartley wusste, wie man Dinge vertuschte. Ich nehme an, dass dies jetzt die Arbeit von Snead ist.“
Julia schüttelte den Kopf. Sie konnte nicht glauben, dass es zwischen Snead und Hartley eine Verbindung gab und dass Snead die Stelle annahm, als Julia hierher zog. Die einzigen Menschen, die von ihrem Umzug wussten, waren Mitchell und Dr. Lanze. Aber das Verschwörungsnetz hatte anscheinend bereits existiert, lange bevor sie Memphis verlassen hatte.
Sie starrte auf den flachen Stein. Sie versuchte den Anblick des Mädchens zu verdrängen, das auf dem Stein lag, so klein und zitternd und nackt, während die verrückten Menschen unter dem kalten, seelenlosen Mond tanzten und ihre sadistischen Gebete sangen. Sie schloss die Augen und wehrte sich gegen die Tränen.
Sie fühlte Walters Hand, die ihre Schulter leicht berührte. „Gehen wir weg von hier“, sagte er.
„Dies ist zu wahnsinnig, um wirklich zu sein.“
Er wischte mit dem Ärmel seines Flanellhemds eine Träne auf ihrem Gesicht weg. „Das sage ich mir seit langem, seit der Nacht, in der meine Frau vom Erdboden verschwunden war.“
Sie öffnete die Augen und schaute in die seinen. Der Verlust war wieder dort, in seinem Innern, ein großer verborgener Schmerz, den sie nur sehen konnte, weil sie davon wusste. „Glaubst du an den Teufel?“
„Ich glaube an Hartley “, sagte er und schaute zum verschleierten Himmel hoch. „Der Herr macht es uns nie leicht.“
Er nahm sie bei der Hand. „Der Jeep ist nur wenige Meter von hier weg. Es gibt eine alte Holzabfuhrstraße, die ins Tal führt.“
Sie verließen die unglückliche Waldwiese und Julia wunderte sich, wie viele Wesen an diesem unheiligen Ort über Jahrhunderte weg geopfert worden waren. Sie schritt leichtfüßig über die Wiese, als ob es sich um Gräber von Kleinkindern handelte.
25
Der Jeep war auf einer hochgelegenen Böschung geparkt, mitten in Goldraute und Wiesenkerbel in voller Herbstblüte. Walter trat auf die von
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