Der Schaedelschmied
Klemmbrett vors Gesicht, als wollte er etwas von dem jungfräulichen Pergament ablesen. »CY-13 muss entrümpelt werden. Hoffnungslos zugemüllt, haufenweise Unrat dort, der entsorgt werden muss. Eine Arbeit, die genau auf zwei Schnarchnasen wie euch zugeschnitten ist!« Er funkelte Frantz böse an. »Wenn ihr das verbockt, gibt’s Abzüge!«
Frantz versuchte mannhaft, ein Zittern zu unterdrücken, geboren aus Wut und Unsicherheit, aber zum Teil auch aus Furcht.
Die Vierunddreißigste war ein Mythos, eine administrative Totgeburt, vor mehr als sechzig Jahren geschaffen von einem Schürfminister namens Jurgin, Vorvorvorgänger des kürzlich ermordeten Borkudd. Unzufrieden mit den Erträgen der vorhandenen vierzehn Förderstockwerke, hatte Jurgin seinerzeit den Aushub einer weiteren Ebene veranlasst: der Vierunddreißigsten. Aufgrund der immensen Tiefe und der damit einhergehenden Schwierigkeiten – Luftmangel, starke Hitzeentwicklung, schwierige statische und tektonische Verhältnisse – war der Bau dieses Abschnitts extrem aufwendig gewesen, hatte etliche Jahre und Hunderte Zwergenleben gekostet.
Als die Minen der Vierunddreißigsten schließlich feierlich eingeweiht wurden, ergaben die ersten Fördergänge, dass in jenen Erdschichten, durch die die neuen Stollen führten, weder Grobonskonit noch M’nir vorkamen, nicht einmal irgendein unreines anderes Metall. Wie sich herausstellte, hatte Schürfminister Jurgin im Vorfeld aus Zeit- und Kostengründen auf Probebohrungen verzichtet. Er wurde noch im selben Zenit abgesetzt, die Vierunddreißigste ging als größte Verschwendung von Staatsgeldern in die Geschichte Barlyns ein. Seither wurde sie von allen behördlichen Stellen totgeschwiegen.
Nicht von Hinreitz.
»Irgendwelche Penner aus den Tiefgeschossen nutzen CY-13 als illegalen Abladeplatz für ihren Müll«, erklärte der Vorarbeiter erregt. Speicheltröpfchen stoben von seinen wulstigen roten Lippen. »Das ist indiskutabel und muss sofort geändert werden.«
»Aber die Stollen der Vierunddreißigsten werden doch für gar nichts genutzt«, wandte Frantz matt ein. »Sie stehen …«
»Wenn ich Ihre unmaßgebliche Meinung hören will, Bruder Frantz, dann frage ich Sie!« Hinreitz wedelte mit dem Klemmbrett in Richtung der Aufzüge. »Bevor ichs vergesse: Jede Sekunde, die ihr hier oben vertrödelt, geht von eurem Fixum ab!«
Frantz blieb nichts anderes übrig, als in einen der Fahrstühle zu steigen. Der ewig lächelnde Wylhelm folgte ihm.
Kaum hatte sich die verrostete Gittertür hinter ihnen geschlossen, erklang das Surren der Seilwinde, und der Fahrstuhl ratterte hinab in die Schwärze. Zwei mit Pech getränkte Fackeln tauchten das Innere des Käfigs in unstetes, trügerisches Licht. Aber zu sehen gab es hier unten ohnehin nichts.
Der Abbau von Grobonskonit fand in den Ebenen zwanzig bis dreiunddreißig statt, M’nir gab es nur in den Nordflügeln der Ebenen achtundzwanzig bis einunddreißig, direkt unterhalb des Berges Standar. Auf dem Weg in die Tiefe passierten Frantz und Wylhelm zahllose gähnenden Mäuler, die in Seitenstollen führten; schmutzige Arbeiter schoben gewaltige stählerne Loren vor sich her, andere bearbeiteten mit Spitzhacken das Gestein, dass die Funken sprühten.
Je tiefer sie kamen, desto heißer wurde es, und desto infernalischer wurde der Lärm. Hier arbeiteten Zwerge mit gewaltigen Meißelhämmern aus nahezu unzerstörbarem Eleutery, fraßen sich unerbittlich ins Gestein vor. Jeweils vier Brüder bedienten eine dieser Höllenmaschinen, deren mannslanger Meißel von einem gewaltigen Druckkessel im hinteren Ende auf eine höhere Schlagzahl gebracht wurde, als ein Zwerg sie mit einer Hacke je erreichen konnte.
Frantz kannte all die Schläuche und Ventile rings um die stalllernen Ungetüme, er wusste um die Funktion sämtlicher Hebel und Knöpfe. Einst hatte er selber an einer solchen Apparatur gearbeitet. Der ewige Lärm hatte ihm jedoch ein nervöses Leiden eingetragen, ein heftiges Zittern, das ihn bis zum heutigen Tage behinderte. Aus Sicherheitsgründen war er daraufhin von den gefährlichen Maschinen abkommandiert worden.
Wie jedes Mal, wenn er in den Lärm und die stickige Hitze eintauchte, musste sich Frantz des Eindrucks erwehren, der Berg sei ein lebendiges Wesen, das ihn am Stück verschlungen hatte und sich nun anschickte, ihn zu verdauen. Der riesige Wylhelm stand bewegungslos neben ihm. Hin und wieder blubberte er etwas Unverständliches oder kicherte ohne
Weitere Kostenlose Bücher