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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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–, und sie hatten Kinder gehabt, und er hatte mit ihnen auf der Terrasse seines Hauses gesessen und den Sonnenuntergang bestaunt …
    Das Sirren schwoll an. Oder kam es näher? Frantz tastete suchend nach seiner Fackel. Doch sie war umgekippt und erloschen.
    Woher kam dann das Licht?
    Blinzelnd ob der ungewohnten Helligkeit zog sich Frantz an der Stollen wand nach oben, bis er auf den Füßen stand. Seine Beine waren eingeschlafen und prickelten unter tausend Nadelstichen, er musste sich abstützen, um Halt zu finden.
    »Wylhelm?«, murmelte er. »Wylhelm, bist du das?«
    Blaak, warum arbeitete dieser Idiot nicht, wie er es ihm aufgetragen hatte? Wie viel Zeit war vergangen? Nicht auszudenken, wenn der fette Narr sich inzwischen ebenfalls hingelegt hatte! Früher oder später musste Hinreitz herunterkommen und nach dem Rechten sehen. Im Kontrollieren war er gut.
    Frantz schirmte seine Augen gegen die Helligkeit ab. Mit der Handkante stieß er gegen seine eng anliegenden Schutzgläser. Die Linsen waren von innen beschlagen.
    »Wylhelm? Was hast du hier zu suchen? Warum …« Frantz’ Stimme erstarb, als das Sirren abermals lauter wurde. Es schien aus den tiefsten Tiefen des missbrauchten, ausgehöhlten Berges zu kommen.
    »W-W-Wylhelm?«
    Langsam schob er sich die Schutzgläser auf die Stirn.
    Mit einem Pfeifen entwich sämtlicher Atem seinen verstaubten Lungen. Frantz kippte rückwärts gegen die Wand, krallte die Finger in das Gestein. Er spürte, wie es in seinem Schritt warm und nass wurde, diesmal nicht von Schweiß. Der rann ihm übers Gesicht, brannte in seinen Augen.
    Im Stollen vor ihm, dicht vor der nächsten Biegung, kauerte eine kolossale Kreatur. Sie war so groß, dass sie den gesamten Gang ausfüllte, und über und über mit grauem Schleim überzogen. Frantz sah keine Beine, nicht einmal Füße. Dafür hatte das Ding Arme, mindestens acht an der Zahl und spindeldürr, die wild durch die Luft zischten. Die Haut des Geschöpfs war grau und schartig wie der sie umgebende Fels. Es schien beinahe, als bestünde das Wesen selbst aus Stein. Ein Kopf war nicht zu erkennen. Dort, wo er hätte sitzen müssen, klaffte ein gewaltiges Loch, in dem eine gigantische, mit glitzernden Reißzähnen besetzte Zunge hin und her peitschte. Die Kreatur drehte sich in Frantz Richtung – und hielt abrupt inne.
    Der lebende Albtraum hatte ihn entdeckt!
    Ein Schrei schoss in Frantz’ Kehle empor, blieb jedoch auf halbem Weg stecken, sodass er nur ein kaum hörbares Wimmern zustande brachte. Seine Beine, die mit einem Mal aus Haferbrei zu bestehen schienen, drohten unter ihm nachzugeben.
    Ein unnatürlicher milchiger Schimmer umgab das Wesen, als würde es von einer geisterhaften Lichtquelle angestrahlt, die sich irgendwo dahinter, jenseits der Gangbiegung befand. Es kauerte sich zusammen, schien für einen winzigen Moment zu flackern. Dann setzte es sich in Bewegung und glitt mit aberwitziger Geschwindigkeit an der Stollenwand entlang. Auf Frantz zu!
    In namenlosem Grauen schlug er sich die Hände vors Gesicht, wobei er sich die Ränder der Schutzgläser tief in die Stirn trieb. Das Sirren schrie in Frantz’ Ohren.
    Die Kreatur kam immer näher, sie floss regelrecht über den unebenen Fels. Noch ein halbes Dutzend Schritte …
    In diesem Moment zerriss etwas in seinem Innern. Sein Verstand gab nach, und Frantz drehte sich um und begann zu laufen. Er stolperte über eine Schienenschwelle, schlug hin, hörte einen Schneidezahn in seinem Mund abbrechen, nahm verschwommen wahr, wie Blut aus einer Platzwunde an der Stirn sein rechtes Auge verdunkelte, doch er spürte nichts von alldem. Der Schock pumpte heiß wie geschmolzenes M’nir durch seine Glieder.
    Das Sirren war jetzt unmittelbar hinter ihm. Er sprang über eine ausrangierte Lore, stürzte abermals, kroch auf allen vieren weiter, und endlich, endlich brach ein Schrei aus ihm hervor. Frantz schrie, übertönte sogar das unerklärliche Sirren, er schrie lauter und lauter, als könnte er so verhindern, dass sich sein Verstand just in dieser Sekunde auf Nimmerwiedersehen verabschiedete.
    Als Frantz die Lichtinsel vor dem Aufzug erreichte, den Wylhelm in der Zwischenzeit artig vollgeladen hatte, war sein Schrei übergegangen in ein grässliches, irres Lachen, in das Wylhelm entzückt einstimmte. Schwärze überschwemmte ihn, trug ihn davon an einen fernen Ort, finsterer und hoffnungsloser als jeder Bergwerksschacht, einen Ort, von dem es keine Rückkehr gab.
    Die Dunkelheit

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