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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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mehreren Augenblicken wurde ihm bewusst, dass dieser ihn nicht sehen konnte. Er sagte: »Und wenn es sich so verhielte – das mit Borkudds schlechtem Gewissen, meine ich?«
    »Na ja, ich will diesem pfeiferauchenden Kerl aus Sherlepp nur ungern recht geben, aber … mit so einem Narkosespruch hätte Borkudd sein Schmerzempfinden doch tatsächlich reduzieren lassen können, oder nicht?«
    Hippolit stieß ein ärgerliches Schnauben aus. »Ich habe sowohl Oskulapius als auch dir bereits ausführlich auseinandergesetzt, dass Borkudds Gehirn dann nach wenigen Nägeln nicht mehr in der Lage gewesen wäre, zielgerichtete Bewegungen …«
    »Und wenn er sein Gehirn für die Beendigung seines Werks gar nicht gebraucht hätte?«
    Stille senkte sich über die beiden finsteren Räume. Nicht zum ersten Mal während seiner langen Zusammenarbeit mit Jorge fühlte sich Hippolit hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch zu schreien und dem Drang, lauthals loszulachen.
    »Dürfte ich erfahren, wie du das meinst?«, erkundigte er sich nach einigen Sekunden. »Niemand wäre in der Lage, feinmotorische Tätigkeiten ohne ein intaktes Koordinationszentrum durchzuführen. Ausgenommen vielleicht du, wenn dein Mund ohne Zutun des Großhirns das achtzehnte Bier bestellt und deine Hand dasselbe, ebenfalls ohne Zutun deines vegetativen Nervensystems, in deinen Mund kippt.«
    »Ho«, machte Jorge. »Ho-ho. Der saß im Ziel, M.H. Ein Volltreffer ins Witzzentrum sozusagen! Erinnere mich daran, dass ich mir diesen gelungenen Scherz bei Gelegenheit notiere. Er sollte, im rechten Moment zitiert, beispielsweise bei einer Familienfeierlichkeit mit meinen Anverwandten, noch für viel Gelächter sorgen. Und ein altes Trollsprichwort weiß: Schmunzeln ist gut, brüllendes Gelächter ist besser.«
    »Ich warte, Jorge.«
    »Was ich meine, ist Folgendes: Du hast mir mal von einer thaumaturgischen Praktik erzählt, mit der man anderen Menschen seinen Willen aufpfropfen kann.«
    Hippolit überlegte kurz. »Du meinst den Zwinger?«
    »Keine Ahnung, wie ihr Eierköpfe es nennt. Aber wenn ich dich damals richtig verstanden habe, kann man seinem Opfer damit vorschreiben, was es tun soll. Der Wille der betreffenden Person bleibt unbeeinflusst und wach, während der Körper tumb das ausführt, was ihm aufgetragen wird, wie ein Automat. Hast du zumindest behauptet.«
    »Das ist auch völlig korrekt. Aus diesem Grund wird ein verantwortungsvoller Thaumaturg diesen Spruch nur nach genauer Abwägung von Dringlichkeit und möglichen Konsequenzen anwenden. Der innere Kampf des Subjekts, dessen Verstand zur Untätigkeit verdammt ist, während sein Körper unter dem fremden Einfluss agiert, kann zu Zuständen extremer Erregung führen. Schweißausbrüche, rasender Puls oder ein Zusammenbruch des Kreislaufs können die Folgen sein. Menschen mit entsprechender Prädisposition können einen Herzinfarkt erleiden und verscheiden.«
    »Fein, fein. Als analytisch denkender Troll folgere ich aus deiner Darstellung, M.H., dass das Gehirn zum Ausführen der thaumaturgisch aufgezwungenen Tätigkeit dann nicht notwendig ist. Hab ich recht?«
    Die Andeutung eines Lächelns machte sich auf Hippolits Zügen breit, als ihm zu dämmern begann, worauf Jorge hinauswollte. Er schwieg eine Weile, während er in seiner Erinnerung nach einem historischen Präzedenzfall suchte. »Es gibt Beispiele aus der Militärthaumaturgie, in denen Schwerstverletzte auf dem Schlachtfeld durch Auferlegung eines Zwingers zu fortgesetzten Kampfhandlungen befälligt wurden, die sie körperlich längst nicht mehr auszuführen in der Lage gewesen wären«, bestätigte er. »In den Chroniken über den Zweiten Ybraltischen Krieg taucht beispielsweise die Geschichte eines Thaumaturgen namens Pelotar auf. Er war gegen Ende des Ersten Zyklus an Bord der Sovonisba stationiert, einer Galeone, die gegen die Flotte des damaligen Herrschers von Hemleb segelte, Zwakop IL, genannt der Viehische. Dank der nautischen Fähigkeiten seines Kapitäns und des erstaunlichen Arsenals thaumaturgischer Offensivtaktiken, die Pelotar beherrschte, gelang es der Sovonisba, die Reihen der feindlichen Schiffe zu durchbrechen und sich bis zu Zwakops Kommandobarkasse durchzukämpfen. Als die Ybralter versuchten, diese zu entern, wurden sie jedoch von einer ganzen Armada Militärthaumaturgen empfangen, die einen Hagelsturm aus hochstufigen Explosivglobuli auf das Deck der Sovonisba herabregnen ließen. Pelotar erkannte, was die Stunde geschlagen

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