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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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darstellen zu den beiden kalomischen Schilden, die Sie hinter sich sehen.«
    Hippolit bemühte sich, seine wachsende Aversion gegenüber seinem zwergischen Kollegen zu unterdrücken. »Mir ist bereits aufgefallen, dass es hier keine beweglichen Teile zu geben scheint.«
    »Das ist nicht mehr notwendig. Durch die Verwendung eines zweiten Sichtschilds vor dem ersten erreichen wir eine neue, nie da gewesene Flexibilität in der Darstellung.« Everard erhob sich und schritt, eine Hand auf dem Rücken, die andere in klassischer Oberlehrerpose erhoben, auf die vordere der beiden Glaswände zu. Hippolit fiel auf, das seine Schritte ein hartes Klacken auf dem steingefliesten Boden verursachten. Unauffällig spähte er zu Everards Füßen hinab – und musste erstmals seit Betreten des Büros grinsen. Daher also die erhabene Größe des obersten Thaumaturgen Barlyns, dachte er. Der überhebliche Knilch trägt Stöckelschuhe!
    Meister Everard bemerkte Hippolits Stimmungsumschwung nicht. »Bei unserem System dürfte es sich, in aller Bescheidenheit gesprochen, um die größte kalomische Anlage in ganz Lorgonia handeln«, tönte er. »Allein diese beiden Schirme thaumaturgisch aufzuladen und in betriebsbereiten Zustand zu versetzen, hat mich über elf Jahre harter Arbeit gekostet. Aber es hat sich gelohnt!« Der Zwerg drehte sich zu Hippolit um, einen Ausdruck verträumten Stolzes im Gesicht. »Wie Sie verstehen werden, war eine Erweiterung der bis dato existenten Systeme unabdinglich: Der ständigen baulichen Veränderungen in einer Großstadt wie Barlyn ließ sich auf andere Weise nicht länger Herr werden.«
    Hippolit drehte sich in seinem Stuhl und fixierte erneut die beiden gewaltigen Glasschirme. Er wusste nicht, ob es am größeren Abstand lag oder daran, dass sich seine Augen an das ständige Geflacker auf der vorderen Scheibe gewöhnt hatten, aber allmählich schien das Labyrinth auf dem dahinterliegenden Glas einen Sinn zu ergeben. »Der hintere Schirm bildet einen Plan Ihres Belüftungssystems ab, richtig?«
    Der Oberthaumaturg lächelte nachsichtig. »Einen Teil unseres Belüftungssystems, mein Bester. Einen winzigen Ausschnitt einer einzigen von insgesamt vierunddreißig Ebenen.« Er artikulierte einen gutturalen thaumaturgischen Befehl. Innerhalb eines Sekundenbruchteils veränderte sich das Bild auf dem hinteren Schirm. Jetzt zeigte es einen anderen, nicht minder verwirrenden Ausschnitt des Liniennetzes. Augenblicklich passten sich die Energieimpulse auf der vorderen Scheibe dem neuen Hintergrund an, huschten entlang der veränderten Linien auf und ab.
    Hippolit schlug die Augen nieder, um ein erneut aufwallendes Schwindelgefühl zu unterdrücken. »Und die kalomischen Projektionen auf der vorderen Scheibe indizieren die Funktion einzelner Belüftungskomponenten?«
    Meister Everard nickte begeistert. »Was Sie hier visualisiert sehen, mein Bester, ist die reibungslose Arbeit von Tausenden Ventilatoren und Abermillionen Stellklappen! Jedes optische Signal steht für eine mechanisch gesteuerte Bewegung an einem der unzähligen Knotenpunkte, die den Strom der Frisch- und Abluft in der Stadt regulieren.«
    Auch wenn er es niemals offen zugegeben hätte, Hippolit war beeindruckt. Allein die Vorstellung, wie lange es gedauert haben musste, Abermillionen thaumaturgischer Rezeptoren in den Rohren des gigantischen Lüftungssystems zu installieren, damit diese ihre Signale an den vorderen kalomischen Schirm abstrahlten, rang ihm Bewunderung ab. Was immer man über die Zwerge und ihre eigentümlichen Ansichten sagen mochte, eines war nicht von der Hand zu weisen: Sie waren fleißig!
    »Sie kontrollieren also die korrekte Funktion des Belüftungssystems. Was sonst noch?« Es widerstrebte Hippolit, sich weiter von Everard belehren zu lassen, doch im Angesicht einer so kolossalen thaumaturgischen Anlage überwog seine aus lebenslanger Auseinandersetzung mit der Materie geborene Neugierde.
    Der Zwerg fixierte ihn mit Augen, in denen eine manische Begeisterung loderte. Hippolit wollte den Blick abwenden, als ihm eine scharfe Falte auffiel, die sich in die Haut unter Everards rechtem Auge eingegraben hatte. Bevor er sich jedoch Gedanken über ihre Herkunft machen konnte, wirbelte sein Gegenüber herum und stieß eine erneute konsonantenreiche Wortfolge aus.
    Ein Lichtblitz erhellte beide Glasschirme, und von einer auf die nächste Sekunde stellte sich deren Erscheinungsbild vollständig verändert dar: Der hintere gab nicht

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