Der Schaedelschmied
sagt: Ein Troll kann sich überhaupt nicht verlaufen.«
12
Meister Everard war groß, vielleicht der größte Zwerg, den Hippolit in Barlyn bisher zu Gesicht bekommen hatte.
»Meister Hippolit, wie ich vermute?«
Eine Hand grüßend vorgestreckt, ein wohlwollendes Lächeln auf dem bis auf einen schmalen Oberlippenbart glatt rasierten Gesicht, kam der Anführer des thaumaturgischen Stabs durch das kleine Vorzimmer auf Hippolit zu. Er trug einen tailliert geschnittenen Gehrock aus brauner Seide, der seine schlanke Statur vorteilhaft betonte. In seinen Augen, die entweder keine Sehhilfe benötigten oder thaumaturgisch behandelt waren, blitzte es lebhaft. Sie werden Meister Everard mögen, hatte Polizeipräsident Wymmler gesagt, als er sich vor dem Gebäude verabschiedet hatte. Hat ein verdammt einnehmendes Wesen.
Was er damit gemeint hatte, wurde Hippolit rasch klar.
»Quintessenziell: Meister Hippolit vom IAIT«, sagte er und ergriff die angebotene Hand. »Schön, dass Sie es einrichten konnten. Trotz des ungünstigen Zeitpunkts, meine ich.«
»Aber ich bitte Sie, mein Bester!« Everards Händedruck war warm und fest. »Für einen Besucher Ihres Ranges muss immer Zeit sein.« Er blinzelte vielsagend in Richtung Hippolits Siegelring, dann ließ er seine Hand los und entblößte zwei Reihen strahlend weißer Zähne. »Ich fühle mich geehrt, einen Vertreter Ihrer Institution in meinem bescheidenen Domizil begrüßen zu dürfen. Meldreth?« Er drehte den Kopf zu einer unauffälligen, grauhaarigen Zwergin, die hinter einem Schreibtisch saß und mit konzentriertem Gesichtsausdruck auf die Tasten eines Typographierautomaten einhämmerte. »Bitte bereiten Sie Kaffee für unseren Besucher und mich. Aber nehmen Sie Thellws Stolz, nicht das billige Zeug, das wir bei der Zenitkonferenz des Zehnerrats hinstellen. Und sorgen Sie dafür, dass wir für eine Weile nicht gestört werden.«
Die Zwergenfrau sah von ihrem Schreibapparat auf und starrte Meister Everard durch daumendicke Augengläser ausdruckslos an. »Kaffee«, wiederholte sie. »Keine Besucher. Keine Wortwürfe.«
»Meldreth ist eine Seele von Zwerg«, vertraute der Oberthaumaturg Hippolit an, während er dessen Oberarm ergriff und ihn unter sanftem Druck zu einer Tür auf der gegenüberliegenden Seite des Vorzimmers bugsierte. »Man sieht es ihr nicht auf den ersten Blick an, aber in Wahrheit …« Er hob pathetisch die Brauen und starrte Hippolit an, als verkündete er ein konspiratives Geheimnis. »In Wahrheit schmeißt sie den ganzen Laden hier, und der Zehnerrat inklusive meiner Wenigkeit ist nur Staffage. Aber lassen Sie das bloß nicht den Lordprotektor wissen! Heil Hindrych, mein Bester!« Er lachte über seinen gewitzten Scherz und schob seinen Besucher vorwärts.
Der Druck von Everards Fingern auf seinem Arm war Hippolit unangenehm, und noch während sie durch die Tür traten, versuchte er, die Hand abzuschütteln. Nur einen Augenblick später jedoch war die Aufdringlichkeit des Zwergenthaumaturgen schlagartig vergessen. Hippolit stieß einen tonlosen Pfiff aus und legte den Kopf in den Nacken.
Meister Everards Büro bestand aus einem länglichen, extrem hohen Raum. Gut vier Stockwerke über seinem Kopf vereinten sich die Wände zu einer aus dem Fels gehauenen Kuppeldecke, Dutzende bullaugenähnliche Fenster ließen Lanzen hellen, ungefilterten Sonnenlichts einfallen. Hippolit vermutete, dass die Konstruktion weit über die Ebene Null, das einzige ebenerdige Stockwerk Barlyns, hinausreichte, wahrscheinlich bis in einen der Berge, die sich darüber erhoben.
Warum Meister Everards Arbeitsstätte derart unübliche Dimensionen aufwies – unüblich für eine subterrane Zwergenstadt, wo Raum Mangelware und hohe Decken reinste Verschwendung waren –, wurde ihm klar, als er den Blick weiterschweifen ließ.
Vor der linken Längswand des Raumes stand ein Schreibtisch von gut und gerne zehn Schritt Länge. Er war aus mattem, unbehandeltem Eisen gefertigt und über und über mit Papieren und Schreibutensilien bedeckt. Eine Handvoll Glutglobuli in unterschiedlichen Farben schwebten darüber, beleuchteten auf Endlospapier gekritzelte Symbolkolonnen, überdimensionale Tabellen, Diagramme und Risszeichnungen.
Auf der gegenüberliegenden Seite – in Blickrichtung eines hohen Lehnstuhls hinter dem Schreibtisch – ragte eine der beeindruckendsten Konstruktionen auf, die Hippolit je gesehen hatte.
Die rechte Wand des Raumes war vollständig mit
Weitere Kostenlose Bücher