Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
Vom Netzwerk:
länger eine Karte in Draufsicht wieder, er zeigte stattdessen die zweidimensionale Risszeichnung mehrerer untereinander gelagerter Stockwerke der Zwergenstadt. Alle Etagen waren mit senkrecht verlaufenden Schächten verbunden, etwa hundert breiteren, die sich in der Mitte der Anlage gruppierten, sowie Tausenden haarfeiner, nur als dünne Striche dargestellter, die bis in die entlegensten Regionen des Planes reichten. Die Lichtsignale auf dem vorderen Schirm zischten jetzt nicht mehr kreuz und quer, sondern glitten ausschließlich in der Vertikalen auf und ab.
    »Nun sehen Sie einen kleinen Teil der von hier überwachten Niveauüberwindungssysteme«, verkündete Everard. Er knurrte etwas Unverständliches, und die Risszeichnung im Hintergrund glitt ein halbes Dutzend Stockwerke abwärts, zeigte einen tieferen Bereich der Anlage. »Und jetzt einen weiteren.« Der Zwerg grinste pathetisch.
    Hippolit hatte sich erhoben und musterte mit großen Augen das Geschehen auf den Scheiben. »Die Befehlszeilen, die Sie verwenden, sind auffallend kurz«, bemerkte er. »Ich nehme an, Sie haben alle zur Steuerung der Anlage erforderlichen Sprüche in einer nahe gelegenen Räumlichkeit vorbereitet und aktivieren sie bei Bedarf mit rudimentären Steuerworten?«
    Zum ersten Mal, seit Hippolit das Domizil des Oberthaumaturgen betreten hatte, musterte ihn dieser mit einem Blick, in dem sich unterschwelliger Respekt abzeichnete. Respekt und etwas anderes. Vorsicht?
    »Sie sind ein heller Kopf, mein Bester«, gab Everard zu. »Tatsächlich sind die übrigen Mitglieder meines Stabs größtenteils damit beschäftigt, die für den Erhalt des Systems notwendigen Rituale durchzuführen und die komplexen Spruchfolgen vorzufertigen, damit ich sie ohne Zeitverzug abrufen kann.« Er drehte sich mit ausgestreckten Armen einmal um die eigene Achse. »Ihnen ist das Fehlen jeglicher thaumaturgischer Hilfsmittel in diesem Büro aufgefallen. Die Räumlichkeiten, in denen die Basis für unser operatives Zentrum untergebracht ist, befinden sich unter unseren Füßen, verteilt über zwei Stockwerke.« Er schien noch weiterreden zu wollen, doch in diesem Augenblick schrillte ein gellender Alarmton aus einem Schalltrichter hoch oben in der Wand.
    Mit einer Gewandtheit, die Hippolit dem Zwerg nie zugetraut hätte, wirbelte Everard herum und schaltete auf die Darstellung des Belüftungssystems zurück. Nach kurzem Suchen schoss sein Arm in die Höhe. »Dort!«
    Auf dem vorderen der beiden Schirme, etwa eine Speerlänge über ihren Köpfen, pulsierte ein sternförmiges Muster in unheilvollem Rot. Hippolit verengte die Augen und erkannte, dass die Form des Sterns einer vielarmigen Kreuzung entsprach, die auf dem hinteren Lageplan zu sehen war. Zahlensymbole erschienen wie aus dem Nichts auf der vorderen Scheibe.
    »Fehlfunktion einer Drosselklappe in Kernschleuse sieben, im Nordostsektor der Elften.« Als der Oberthaumaturg Hippolits verwirrten Blick bemerkte, fügte er hinzu: »Die Kernschleusen stellen Knotenpunkte der Hauptluftschächte dar. Dort wird die Frischluft für die unterschiedlichen Sektoren jeder Ebene aufgeteilt. Fällt eine davon aus, kann es im betreffenden Bereich zu Stauungen verbrauchter Luft kommen. Im Extremfall muss er evakuiert werden.« Everard entblößte seine makellosen Zähne zu einem aufmunternden Grinsen. »Aber keine Sorge, mein Bester: In den Sechsundsechzig Jahren seit Bestehen dieses Systems ist dieser Fall nur ein einziges Mal eingetreten, und der ging auf das Versäumnis eines Wartungstrupps zurück. Wenn Sie mich für einen Augenblick entschuldigen wollen?«
    Mit klackenden Schritten stöckelte der Zwerg zum anderen Ende des Raumes. Dabei artikulierte er mit gedämpfter Stimme eine Wortfolge, die Hippolit als Aktivierungsformel für einen Wortwurf mittlerer Distanz erkannte. Einen Augenblick später erstrahlte der Raum jenseits des Zwergs im grünlich transparenten Schein eines thaumaturgischen Schalltrichters.
    Everard bellte einen Befehl hinein, dann deaktivierte er den Wortwurf mit einer herrischen Geste. Augenblicke später war er wieder an Hippolits Seite.
    »Ein Wortwurf?«, erkundigte sich Hippolit mit einem Blick nach oben, wo das verästelte Schleusensymbol nach wie vor drohend vor sich hin pulsierte. »Beseitigen Sie die Fehlfunktion nicht selbst?«
    »Mitnichten, mein Bester.« Meister Everard lächelte amüsiert, trat neben ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Nur mit Mühe unterdrückte Hippolit den

Weitere Kostenlose Bücher