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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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eine lange Couch, die mit dem gleichen Leder bezogen war wie der Sessel. Die Sitzmöbel sahen alt und abgewetzt aus, fügten sich jedoch perfekt ins Gesamtbild des Wohnzimmers. »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Ich habe allerdings nur Wasser.«
    Jorge wollte ein enttäuschtes Schnauben ausstoßen, besann sich aber eines Besseren. Trotz der vielen Bücher lag auf der Hand, dass Gronther nicht wohlhabend war.
    »Schon in Ordnung«, sagte er und nahm vorsichtig auf der Couch Platz. »Wirklich hübsch hier. Es gibt da ein altes Trollsprichwort, und es geht so: Wenn jemand in einer Höhle lebt, angefüllt mit Büchern, dann liest er gerne. Du magst Bücher, hab ich recht?«
    »Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches, Agent Jorge?«, sagte Gronther, ohne auf die Frage einzugehen.
    »Kannst du dir das nicht denken?«
    Wieder ein kurzes, nur ansatzweise aufblitzendes Lächeln. Irgendwie verursachte es Jorge eine Gänsehaut.
    »Sie kommen wegen Vetter Borkudd, nehme ich an … jetzt, da er bei unseren Ahnen knaggelt.« Gronther stieß ein eigenartiges Geräusch aus. Jorge benötigte eine Sekunde, ehe er begriff, dass es ein Lachen war.
    »So ist es, Gronther. Du bist nämlich mit ihm verwandt, und da dachten wir beim IAIT …«
    »Ja? Was dachten Sie beim IAIT?«
    Jorge hüstelte. »Na ja, wir dachten, wir schauen mal bei dir vorbei. Und schwupps – hier bin ich. Nette Purpurkatze hast du da. Ich dachte eigentlich, ihr hättet hier in Barlyn alle nur diese entsetzlichen Hunde. Da ist so eine Katze eine willkommene Abwechslung. Besonders, wenn sie nicht rotzt. Wie heißt sie denn?«
    »Namenlos.«
    »Sie hat keinen Namen? Schade, schade. Weißt du, ein altes Trollsprichwort …«
    »Das ist ihr Name: Namenlos.«
    »Wie? Ach so. Na, das ist ja nett. Hier, putt-putt … komm zu Onkel Jorge, Namenlos.«
    Namenlos sah Jorge aus drei halbgeschlossenen Augen an, drehte sich um und stolzierte mit in die Höhe gerecktem Schwanz aus dem Zimmer.
    »Es tut mir leid, dass dein Vetter auf so unvorhersehbare Art und Weise … ahm, abberufen wurde«, sagte Jorge. »Ich weiß, es ist nicht leicht für die Hinterblie- …«
    »Also, mir tut es überhaupt nicht leid!« Gronther spie die Worte geradezu aus.
    Jorge hatte immer geglaubt, er sei ganz gut darin, mit anderen zu kommunizieren. Bei sensiblen Themen wie der Ermordung eines Angehörigen bewies er in der Regel Taktgefühl. Er bekam die unterschwelligen Schwingungen einer Unterhaltung mit, wenn er es auch häufig vorzog, sie zu ignorieren.
    Gronthers Aussage brachte ihn jetzt allerdings ein wenig aus dem Konzept. Jorge sagte: »Deine Aussage bringt mich jetzt allerdings ein wenig aus dem Konzept. Gehe ich recht in der Annahme, dass du und Borkudd nicht unbedingt dicke miteinander wart?«
    Die matten Augen hinter den Gläsern von Gronthers Sehhilfe schienen für den Bruchteil einer Sekunde aufzuleuchten. »So könnte man es ausdrücken«, gab er zu. »Genau wie mit meiner kompletten Familie, solange sie noch am Leben war. Ich hatte mit keinem Angehörigen meiner machtbesessenen Sippschaft Kontakt. Selbst als nur noch Borkudd übrig war, blieb er mir so fern, wie Sie es sich nur vorstellen können.«
    »Dann betrübt dich sein Tod also nicht? Oder freust du dich am Ende sogar darüber?«
    Ein Lächeln, ein Aufblitzen der Augen. Ein Hauch von Lebendigkeit flackerte über Gronthers Gesicht, jedoch nicht genug, um sich durch alle Falten seiner Haut zu kämpfen und es nachhaltig aufzuhellen. »Freuen? Nein, ich bin jenseits jeglicher Freude, Herr Jorge. Dem Tod gebührt immer Respekt. Ist es nicht so?«
    »Ja … ja. Naja, also -ja?«
    »Ich bin das schwarze Schaf der Familie, wie man so schön sagt. Oder vielleicht ist es genau umgekehrt? Vielleicht waren alle anderen aus der Sippschaft schwarz und ich der einzige Normale. Wie auch immer. Ich will Sie nicht mit meiner persönlichen Tragödie langweilen.«
    »Du langweilst mich keineswegs, Gronther.«
    »Es war schon so, als ich noch ein kleiner Zwerg war.« Allmählich schien Gronther ein wenig aufzutauen, obwohl schwer zu erkennen war, was tatsächlich hinter der aufgebrauchten Fassade seines Gesichts vor sich ging. »Ich wurde immer als Freigeist bezeichnet – abfällig, als ob das etwas Negatives wäre. Schon als Halbwüchsiger begeisterte ich mich für Bücher – für erfundene Geschichten, verstehen Sie? – und galt sogleich als verhaltensauffällig. Ist das nicht seltsam?«
    »In der Tat«, sagte Jorge, der daran denken

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