Der Schädelschrank
musste er hinaus in den Flur. Es war ein Weg wie immer. Trotzdem kam er ihm anders vor, denn er konnte seine Gedanken nicht von den Schädeln ablenken. Er hatte sie in der Garage schweben sehen und konnte sich sehr gut vorstellen, dass sie diese verließen und die Treppe hochflogen, um ihn anzugreifen.
Aber das passierte nicht. Es blieb alles ruhig, und in dieser Ruhe erreichte Phil Young die Tür zum Zimmer seines Helfers. Er hätte jetzt anklopfen und hineingehen können. Das war etwas, das er immer tat, aber diesmal bleib er vorsichtig und abwartend.
Er betrat das Zimmer noch nicht und drückte Stattdessen sein Ohr gegen das Holz der Tür.
Nichts tat sich.
Er hatte erwartet, Samson Quirl schnarchen zu hören. Sein Mitarbeiter war bekannt für ein fast schon perverses Schnarchen, aber er hörte nichts. Keinen Laut, keinen Atem, kein Schnarchen, keine Geräusche, die daraufhindeuteten, dass sich der Körper im Bett bewegte, es gab einfach nur diese tiefe Ruhe.
Und die gefiel ihm nicht. Der Trödler gehörte zu den misstrauischen Menschen. In seinem Fall musste man das sein, denn wer in diesem Genre seine Geschäfte machte, der musste einfach ein Schlitzohr sein. Er hatte sich im Laufe der Jahre zudem einen gewissen Riecher angewöhnt, und der witterte etwas.
Er glaubte nicht, dass Samson Quirl abgeschlossen hatte. Deshalb drückte er die Klinke und stieß die Tür mit einer schnellen Bewegung nach innen.
Kein Zimmer, sondern eine Kammer. Die Größe reichte gerade aus, um ein Bett aufzustellen und einen schmalen Schrank. Zwei kleine lukenartige Fenster gab es auch noch und eine Lampe, die ihren Platz auf dem Boden neben dem Bett hatte.
Aber keine Geräusche.
Kein Schnarchen, kein lautes Atmen – nur die verdammte Stille, die auch den Mann auf dem Bett einhüllte.
Samson lag auf dem Rücken, das war zu sehen, denn das Licht aus dem Flur erhellte den kleinen Raum ausreichend. Es war aber auch noch mehr zu sehen. Der Kopf lag in einem ungewöhnlichen Winkel zum Körper.
Das war nicht normal...
Der Trödler hielt den Atem an, als er auf das Bett zuschlich. Samson bewegte sich nicht. Es war von ihm weiterhin nichts zu hören. Kein Röcheln, kein Schnaufen, und diese Stille hinterließ auf Young’s Rücken eine Gänsehaut.
Er fasste Samson an.
Nichts.
Er rüttelte ihn!
Keine Reaktion. Nicht mal ein leises Schnaufen oder Röcheln war zu hören. Erst jetzt jagte der richtige Gedanke in Young hoch. Ihm wurde übel. Zugleich glaubte er, innerlich zu verbrennen, und er schaute sich seinen Helfer genau an.
Mit dem Fuß drückte er auf den Schaltknopf der Stehlampe. Der kleine Halbmond erhellte sich. Weicher Schein breitete sich aus. Er fiel auf das Bett und auch auf den Mann, der dort regungslos lag und nie mehr aufstehen würde.
Samson Quirl war tot!
***
All das, was in der letzten Zeit passiert war, hatte Phil Young nie für einen Spaß gehalten. In diesem Moment allerdings war ihm so grausam und gnadenlos bewusst gemacht worden, wie die andere Seite mit bestimmten Dingen umging. Dass es ihr egal war, ob jemand starb oder nicht. Und auch wie er starb, spielte keine Rolle. Hier war sein Helfer auf eine schlimme Art und Weise ums Leben gekommen. Man hatte ihm das Genick gebrochen.
Young brauchte nicht in einen Spiegel zu schauen, um zu wissen, dass er bleich geworden war, und er spürte, dass er zitterte. In seinem Kopf hämmerte es. In der Kehle lag das Kratzen, die Knie zitterten, was er nicht so sehr auf den Anblick der Leiche zurückführte, sondern auf die Tatsache, dass Samson in seinem Haus getötet worden war. Also hatte sich der Mörder hier aufgehalten – oder befand sich noch hier!
Samsons Gesicht zeigte einen erschreckten und zugleich schmerzerfüllten Ausdruck. Wer ihn umgebracht hatte, musste ein Mensch mit großer Kraft gewesen sein.
Es war eigentlich keine Vermutung mehr, Young war sich sicher, dass er gerade mit dem Mörder gesprochen hatte. Einem Menschen, den er nicht unbedingt als einen solchen ansehen wollte. Er war auf eine bestimmte Art und Weise widerlich. Fahl, rattengesichtig und verschlagen. Er hatte in der Garage gestanden. Er war der wahre Herr der Schädel und wollte, dass Young den Schrank behielt.
Er musste auch Samsons Mörder sein. Und Samson war gestorben, weil sich Young geweigert hatte.
Dieser Verkäufer war schlimm. Ein Satan in der Gestalt eines Menschen. Ein Dämon, der sich über viele Gesetze einfach hinwegsetzen konnte, was einem Menschen nicht vergönnt
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