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Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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hervorgehoben. Lebel hörte zu, und ihm sank der Mut. Sie erwarteten - nein, verlangten - das Unmögliche. Er hatte nichts, wovon er hätte ausgehen können. Es gab kein Verbrechen - noch nicht. Es gab keine Spuren, keine Hinweise. Und abgesehen von den drei Männern, mit denen er nicht sprechen konnte, gab es auch keine Zeugen. Es gab nur einen Namen, einen Decknamen, und die ganze Welt, die er nach diesem Mann absuchen konnte. Claude Lebel war immer ein guter Polizeibeamter gewesen, gewissenhaft, besonnen und in seiner Arbeitsweise von methodischer Gründlichkeit. Nur gelegentlich hatte er die blitzartige Inspiration gezeigt, die aus einem guten Polizisten einen hervorragenden Detektiv macht. Dabei war er sich jedoch stets der Tatsache bewußt geblieben, daß neunundneunzig Prozent aller Polizeiarbeit Routine sind und aus unauffällig betriebener Ermittlungstätigkeit, aus Recherchieren, Überprüfen und Gegenprüfen, aus dem geduldigen Verknüpfen einzelner Maschen eines Netzes bestehen, in dem sich der Verbrecher fängt und verstrickt.
    In der PJ war er als verbissener Arbeiter bekannt, der für seine Person jegliche Publicity ablehnte und nie Pressekonferenzen von jener Art gegeben hatte, auf der der Ruf mancher seiner Kollegen basierte. Und doch war er, indem er seine Fälle löste und seine Täter überführte, stetig aufgestiegen. Als vor drei Jahren bei der Brigade Criminelle die Stelle des Leiters der Mordkommission frei wurde, stimmten selbst seine ebenfalls zur Beförderung anstehenden Kollegen darin überein, daß er der geeignetste Mann war. Er konnte auf eine gleichbleibend erfolgreiche Tätigkeit bei der Mordkommission verweisen, als deren Leiter er drei Jahre hindurch keine einzige Festnahme veranlaßte, die nicht zu einer Verurteilung führte, wenngleich in einem Fall der Angeklagte aus formaljuristischen Gründen freikam.
    Als Leiter der Mordkommission erregte er die Aufmerksamkeit Maurice Bouviers, der Chef der gesamten Brigade und ebenfalls ein Polizeibeamter alter Schule war. Als Dupuy vor wenigen Wochen plötzlich verstarb, war es daher Lebel, den Bouvier als seinen neuen Stellvertreter vorschlug.
    Es hatte in der PJ zwar Stimmen gegeben, die behaupteten, daß Bouvier, dessen Zeit weitgehend von administrativer Arbeit beansprucht wurde, einen publicityscheuen Kollegen zu schätzen wußte, der die großen, Schlagzeilen hervorrufenden Fälle handhaben konnte, ohne seinem Vorgesetzten die Show zu stehlen. Aber vielleicht urteilten sie zu hart.
    Nach der Besprechung im Ministerium wurden die Kopien des Rolland-Berichts eingesammelt und im Safe des Ministers eingeschlossen. Einzig Lebel erhielt die Erlaubnis, ein Exemplar zu behalten, und ließ sich das von Bouvier aushändigen. Er hatte sich lediglich ausbedungen, die Leiter der obersten Kriminalbehörden derjenigen Länder vertraulich um ihre Kooperation zu ersuchen, deren Karteien vermutlich Unterlagen enthielten, die über die Identität eines professionellen Killers wie des Schakals Aufschluß zu geben vermochten.
    Ohne die Möglichkeit zu solcher Zusammenarbeit, erklärte er, sei es zwecklos, mit der Fahndung zu beginnen.Sanguinetti hatte wissen wollen, ob man sich darauf verlassen könne, daß diese Leute den Mund hielten. Lebel hatte erwidert, daß er die Leute, mit denen er Verbindung aufnehmen müsse, persönlich kenne und daß er seine Ermittlungen nicht offiziell, sondern auf Basis des persönlichen Kontakts, wie sie zwischen den meisten Spitzenfunktionären der Polizeikräfte Westeuropas existiert, anzustellen beabsichtige. Nach einigem Hin und Her hatte der Minister seinem Ersuchen stattgegeben.
    Und jetzt stand Lebel in der Halle, wo er auf Bouvier wartete, während die Abteilungsleiter auf dem Weg zum Ausgang an ihm vorüberkamen. Einige nickten ihm nur kurz zu und gingen rasch weiter; andere sahen sich zu einem mitfühlenden Lächeln veranlaßt, als sie ihm gute Nacht wünschten. Einer der letzten, der den Konferenzraum verließ, während sich Bouvier noch leise mit Max Fernet besprach, war der aristokratische Oberst aus dem Elysée­ Palast. Lebel war der Name Saint Clair de Villauban genannt worden, als man ihn mit den Männern, die an dem Konferenztisch saßen, bekannt machte. Der Oberst blieb vor dem kleinen, dicklichen Kommissar stehen und sah ihn mit unverhohlenem Mißfallen an.
    »Ich hoffe, Kommissar, daß Sie mit Ihren Ermittlungen Erfolg haben werden, und das möglichst rasch«, sagte er. »Wir im Palast werden Ihr

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