Der Schakal
abgeschraubt und lagen mit der Vorderseite nach unten im Gras. Auf ihre Rückseiten hatte er in Weiß eine fiktive französische Nummer gemalt, die mit der Kennzahl 75 -der Codezahl für Parisendete. Der Schakal wußte, daß dies auf französischen Straßen die häufigste Wagennummer war.
Daß die auf den weißen italienischen Alfa ausgestellten Leih-und Versicherungspapiere nicht zu dem blauen französischen Alfa paßten, war offenkundig, und wenn er von einer Verkehrsstreife angehalten und ohne Wagenpapiere angetroffen wurde, war er geliefert. Die einzige Frage, die ihn beschäftigte, während er einen Lappen in den Tank tauchte, um sich die Farbflecken von den Händen zu wischen, war die, ob er jetzt starten und dabei in Kauf nehmen sollte, daß die amateurhafte Übermalung des ursprünglich weißen Wagens im hellen Sonnenlicht auffiel, oder ob es klüger wäre, den Einbruch der Dämmerung abzuwarten.
Er schätzte, daß die Polizei, nachdem sie nun schon seinen falschen Namen in Erfahrung gebracht hatte, in Kürze auch heraushaben dürfte, über welche Grenzstation er nach Frankreich eingereist war, und alsbald nach dem Wagen zu fahnden beginnen würde.
Für den Auftrag in Paris war es noch immer mehr als eine Woche zu früh, und er mußte einen Unterschlupf suchen, wo er sich bis dahin verstecken und vor möglicher Entdeckung sicher fühlen konnte. Das hieß, er mußte gut und gern dreihundertachtzig Kilometer in westlicher Richtung zurücklegen, um das Département Corrèze zu erreichen; und am schnellsten gelangte man mit dem Auto dorthin. Es war zwar riskant, aber er beschloß, es darauf ankommen zu lassen. Je eher er startete, desto besser. Es galt, die Strecke hinter sich zu bringen, noch bevor jeder Verkehrspolizist des Landes nach einem Alfa Romeo mit einem blonden Engländer am Steuer Ausschau hielt.
Er schraubte die neuen Nummernschilder an, warf die Farbtöpfe mit dem restlichen Lack sowie die beiden Pinsel fort, zog sich den seidenen Rollkragenpullover und das Jackett wieder über und ließ den Motor an. Als er in die RN 93 einbog, blickte er auf seine Uhr. Es war 15 Uhr 41.
Hoch über sich hörte er einen Hubschrauber knattern, der nach Osten flog. Bis nach Die waren es noch zwölf Kilometer. Er hätte den Namen der Ortschaft zwar nie englisch ausgesprochen, aber die Koinzidenz der Schreibweise fiel ihm doch auf. Obwohl er nicht abergläubisch war, preßte er die Lippen zusammen, als er sich dem Städtchen näherte. Vor dem Kriegerdenkmal auf dem Marktplatz stand ein baumlanger motorisierter Polizist mitten auf der Fahrbahn und signalisierte ihm, anzuhalten und scharf rechts heranzufahren. Das Gewehr des Schakals befand sich noch immer in den am Chassis befestigten Röhren. Er trug weder eine Automatic noch ein Messer. Eine Sekunde lang war er unschlüssig, ob er anhalten oder Gas geben, den Polizisten mit dem Kotflügel streifen und davonpreschen sollte, um den Wagen zwanzig Kilometer weiter stehenzulassen, sich ohne Spiegel und Waschbecken als Pastor Jensen herzurichten und mit vier Gepäckstücken zu Fuß durchzuschlagen.
Der Polizist nahm ihm die Entscheidung ab. Sobald der Alfa die Fahrt verlangsamt hatte, beachtete der Polizist ihn überhaupt nicht mehr, sondern drehte sich um und blickte in die entgegengesetzte Richtung. Der Schakal steuerte den Wagen an den Straßenrand und wartete. Vom anderen Ende des Ortes her war Sirenengeheul zu hören. Was auch immer geschehen mochte, es war zu spät, um jetzt noch zu entkommen. Vier Citroën-Polizeiwagen und sechs »Schwarze Marias« rasten durch die Ortschaft. Als der Verkehrspolizist zur Seite sprang und grüßend den Arm hob, preschte der Konvoi an dem geparkten Alfa vorbei und die Straße hinunter, die dieser gekommen war. Durch die vergitterten Fenster, die den Wagen im französischen Volksmund die Bezeichnung »Salatschleuder« eingetragen hatten, konnte der Schakal die dichtbesetzten Reihen behelmter Polizisten mit umgehängten Maschinenpistolen sitzen sehen. Fast ebenso schnell, wie er gekommen war, war der Konvoi wieder verschwunden. Der Verkehrspolizist ließ den grüßenden Arm sinken, bedeutete dem Schakal mit gleichmütiger Geste, daß er jetzt weiterfahren dürfe, und stapfte zu seinem Motorrad, das er gegen das Kriegerdenkmal gelehnt hatte. Er trat noch immer auf den Anlasser, als der Alfa bereits um die Ecke gebogen war, um seine Fahrt in Richtung Westen fortzusetzen.
Es war 16 Uhr 50, als sie sich dem umstellten Hôtel du Cerf
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