Der Schakal
und die Beamten instruiert, bei seinem Auftauchen sofort die regionale Zentrale zu unterrichten, jedoch ausdrücklich untersagt, daß ein einzelner Polizeibeamter den Mann stellt. Wenn auf dieser Besprechung eine Änderung meiner diesbezüglichen Anweisungen beschlossen werden sollte, muß ich die Anwesenden bitten, die Verantwortung für alle sich daraus ergebenden Folgen zu übernehmen.« Längere Zeit herrschte Schweigen.
»Die Sorge um das Leben eines Polizeibeamten darf die zum Schutz des Präsidenten der Republik erforderlichen Maßnahmen nicht beeinträchtigen«, ließ sich Oberst Rolland vernehmen. Seine Bemerkung erntete rund um den Tisch herum beifälliges Nicken.
»Das ist schön und gut und zweifellos sehr richtig«, stimmte ihm Lebel zu, »vorausgesetzt, der Polizeibeamte ist in der Lage, diesen Mann unschädlich zu machen. Aber die wenigsten Polizisten und Gendarmen, die in ihrem Revier Streife gehen oder auf den Überlandstraßen patrouillieren, sind hochtrainierte Scharfschützen wie der Schakal. Wenn er gestellt wird, einen oder zwei Beamte niederschießt und entkommt, haben wir es nicht mehr mit einem Killer zu tun, der nicht weiß, daß wir ihm auf der Spur sind, sondern mit einem, der gewarnt und möglicherweise in der Lage ist, sich mit einer weiteren Identität zu tarnen, die wir noch nicht kennen. Hinzu kommt, daß ein solcher Vorfall in allen Zeitungen Schlagzeilen machen würde und wir das nicht herunterspielen könnten. Wenn der eigentliche Zweck seines Aufenthalts in Frankreich achtundvierzig Stunden lang geheim bleibt, sollte mich das außerordentlich wundern. Die Presse wird innerhalb weniger Tage wissen, daß er es auf den Präsidenten abgesehen hat. Wenn irgendeiner der Anwesenden es auf sich nehmen möchte, das dem General gegenüber zu vertreten, bin ich nur zu gern bereit, die Leitung dieser Aktion niederzulegen, damit er sie übernehmen kann.«
Niemand meldete sich. Die Sitzung wurde wie üblich um Mitternacht beendet. Ein neuer Tag war angebrochen - Freitag, der 16. August.
SIEBZEHNTES KAPITEL
Als der blaue Alfa in die Place de la Gare von Ussel einbog, war es fast l Uhr morgens. Gegenüber dem Bahnhof hatte ein Café noch geöffnet, und ein paar Reisende, die auf einen Nachtzug warteten, schlürften heißen Kaffee. Der Schakal fuhr sich rasch mit dem Kamm durchs Haar und ging an den bereits aufeinandergestellten Tischen und Stühlen vorbei zur Theke. Er fröstelte, denn die nächtliche Bergluft war kühl, wenn man mit einer Geschwindigkeit von mehr als hundert Stundenkilometer im offenen Wagen fuhr. Er fühlte sich wie gerädert, und seine Arm und Beinmuskel schmerzten, nachdem er den Alfa durch ungezählte enge Kurven gezogen hatte. Zudem war er hungrig, denn seit dem Abendessen vor mehr als achtundvierzig Stunden hatte er außer einem Croissant zum Frühstück nichts mehr zu sich genommen.
Er bestellte sich zwei tartines beurrées - der Länge nach von einem schmalen, langgestreckten Brotlaib abgeschnittene und mit Butter bestrichene Scheiben eines kräftigen Landbrotes -, dazu vier hartgekochte Eier und eine große Schale Milchkaffee.
Während das Butterbrot gestrichen und der Kaffee gefiltert wurde, hielt er nach der Telephonzelle Ausschau. Es gab keine, aber am anderen Ende der Theke stand ein Apparat.
»Haben Sie ein örtliches Fernsprechverzeichnis?« fragte er den Wirt, der, noch immer mit dem Bestreichen der tartines beschäftigt, stumm auf den Stapel der Telephonbücher wies, der auf dem Regal hinter der Theke lag.
Der Baron war unter »Chalonnière, M le Baron de la… « aufgeführt und als Wohnsitz das Schloß in La Haute Chalonnière angegeben. Der Schakal hatte sich die Adresse gemerkt, aber das Dorf war auf seiner Karte nicht eingezeichnet. Die Telephonnummer wurde jedoch unter dem Amt Egletons geführt, und dieser Ort fand sich rasch auf seiner Karte. Er lag dreißig Kilometer hinter Ussel an der RN89. Der Schakal machte es sich an einem Tisch bequem, um seine tartines mit den hartgekochten Eiern zu verzehren und den Milchkaffee zu trinken.
Kurz vor zwei passierte er ein Schild mit der Aufschrift »Egletons, 6km« und beschloß, den Wagen in einer der dichten Waldungen, die an die Straßen grenzten, stehenzulassen. Die Wälder gehörten vermutlich irgendeinem alteingesessenen Adeligen, dessen Vorfahren, von einer Hundemeute begleitet, hier auf Wildschweinjagd geritten waren. Aber vielleicht war das auch heute noch Brauch, denn weite Teile des
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