Der Schakal
als ein paar Tage verborgen zu bleiben. Kurz, es gibt in unseren Reihen zu viele ›Sänger‹ , zu viele unsichere Kantonisten, zu viele Spitzel.
Die Geheimpolizei hat diesen Umstand für sich zu nutzen gewußt und die Bewegung so vollständig infiltriert, daß selbst die Beschlüsse unserer höchsten Gremien nicht geheim bleiben. Sie scheint innerhalb von wenigen Tagen, nachdem eine Entscheidung getroffen ist, genauestens über das, was wir vorhaben, wie wir es durchführen wollen und mit welchen Leuten, im Bild zu sein. Es ist zweifellos unangenehm, diesen Tatsachen ins Auge zu sehen, aber ich bin überzeugt, daß wir einen verhängnisvollen Irrtum begehen würden, wenn wir es unterließen. Meiner Auffassung nach bleibt uns zur Lösung unserer vordringlichsten Aufgabe, der Beseitigung des Diktators, nur ein Weg, der das ganze Netzwerk von Spionen, Agenten und Spitzeln umgeht und die Geheimpolizei auf diese Weise ihrer Vorteile beraubt, um sie in eine Situation zu bringen, von der sie nicht nur nichts ahnt, sondern die sie, selbst wenn sie von ihr wüßte, ihrerseits nicht kontrollieren, geschweige denn verhindern könnte.«
Montclair und Casson blickten auf. In dem Pensionszimmer herrschte Totenstille, die nur von dem Prasseln an die Fensterscheibe schlagender Regentropfen unterbrochen wurde.
»Wenn Sie mit mir in der Beurteilung der Lage, so wie ich sie geschildert habe, übereinstimmen«, fuhr Rodin fort, »dann werden Sie einräumen müssen, daß alle diejenigen, von denen wir wissen, daß sie fähig und willens wären, den Großen Hexenmeister umzulegen, auch der Geheimpolizei keine Unbekannten mehr sein dürften. Sie alle wären Freiwild, sobald sie französischen Boden beträten, gehetzt nicht nur von der regulären Polizei, sondern auch verraten von den Barbouzes und den Spitzeln. Meine Herren, ich glaube, daß die einzige Alternative, die uns bleibt, darin besteht, einen Außenseiter zu verpflichten.«
Montclair und Casson, die ihn zunächst verständnislos angestarrt hatten, begannen zu begreifen.
»Was für einen Außenseiter?« fragte Casson schließlich. »Bei dem Mann unserer Wahl - wer immer das auch sein mag -müßte es sich um einen Ausländer handeln«, sagte Rodin. »Er wäre kein Mitglied der OAS oder des CNR. Kein Polizeibeamter in Frankreich würde ihn kennen und sein Name wäre auf keiner Fahndungsliste und in keiner Kartei verzeichnet. Die Schwäche aller Diktaturen besteht darin, daß sie von einem gewaltigen bürokratischen Apparat abhängig sind. Was nicht in den Akten steht, existiert nicht. Der Attentäter wäre in diesem Fall eine unbekannte und daher nichtexistente Größe. Er würde mit einem ausländischen Paß reisen, den Auftrag erledigen und in sein eigenes Land zurückkehren, während das französische Volk sich erhebt, um die Reste des verräterischen de Gaulleschen Pöbels davonzujagen. Ob es unserem Mann gelänge, der Polizei zu entgehen, wäre dabei nicht unbedingt von entscheidender Bedeutung, da wir ihn ohnehin sofort nach Übernahme der Macht befreien würden. Einzig und allein ausschlaggebend ist vielmehr, daß er unerkannt und ohne Verdacht zu erregen, einreisen kann. Das ist etwas, das zur Zeit keinem von uns möglich sein dürfte.«
Seine beiden Zuhörer schwiegen nachdenklich eine Weile, während sich die Umrisse von Rodins Plan in ihrer Vorstellung deutlicher abzuzeichnen begannen. Montclair stieß einen leisen Pfiff aus. »Ein professioneller Killer also.«
»Genau das«, erwiderte Rodin. »Es wäre töricht anzunehmen, daß sich ein Außenseiter bereit fände, einen solchen Auftrag etwa uns zuliebe oder gar aus reinem Patriotismus ohne Gegenleistung auszuführen. Nur ein echter Profi verfügt über das Höchstmaß an Erfahrung und Kaltblütigkeit, das für eine Spezialaufgabe wie diese erforderlich ist. Und ein solcher Mann arbeitet nur gegen Geld - viel Geld«, fügte er mit einem raschen Blick auf Montclair hinzu.
»Aber woher wissen wir, ob wir so einen Mann überhaupt finden?« fragte Casson. Rodin hob die Hände. »Eins nach dem anderen, meine Herren. Daß es eine Fülle von Einzelheiten auszuarbeiten gilt, bedarf keiner Diskussion. Was ich zuvor von Ihnen wissen will, ist, ob Sie dieser Idee grundsätzlich zustimmen oder nicht.«
Montclair und Casson blickten einander an, wandten die Köpfe dann wieder Rodin zu und nickten.
»Bien.« Rodin lehnte sich so weit zurück, wie ihm dies die steile Rückenlehne seines Stuhls gestattete. »Damit wäre
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