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Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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fliege ich sofort zurück«, sagte der blonde Mann und legte auf. Dann stieg er wieder die Treppe hinauf.
    Oben angekommen, wartete er, bis sich die Tür von Nummer vierundsechzig öffnete und Oberst Rodin erschien. Er starrte einen Moment zu dem Engländer hinüber und rief dann leise: »Viktor.«
    Der hünenhafte Pole trat aus dem Alkoven heraus und blieb, vom einen zum anderen blickend, abwartend stehen. Rodin sagte: »Es ist in Ordnung. Er wird erwartet.« Kowalsky ließ den Engländer, der jetzt auf den Oberst zuging, nicht aus den Augen. Rodin führte den Besucher in das Zimmer. Das Mobiliar war umgestellt worden, und der Raum wirkte jetzt wie die Schreibstube einer Musterungskommission. Von Papieren übersät, diente der Schreibtisch als Tisch des Vorsitzenden. Dahinter stand der Stuhl mit der hohen Lehne, den jetzt zwei weitere, aus den angrenzenden Zimmern herbeigebrachte Stühle flankierten. Montclair und Casson, die auf ihnen Platz genommen hatten, blickten dem Engländer neugierig entgegen. Vor dem Tisch stand kein Stuhl.
    Der Engländer sah sich in dem Raum um, entschied sich für einen der beiden Sessel und drehte ihn so, daß er dem Tisch gegenüber stand. Als Rodin Viktor mit neuen Instruktionen versehen und endlich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, saß der Engländer bereits bequem zurückgelehnt in dem Sessel und starrte seinerseits unverwandt Casson und Montclair an. Rodin nahm auf seinem Stuhl hinter dem Tisch Platz. Sekundenlang fixierte er den Mann aus London. Was er sah, mißfiel ihm keineswegs, und er war ein Experte in der Beurteilung von Männern. Der Besucher war etwa einsachtzig groß, Anfang Dreißig und von schlankem athletischem Wuchs. Er sah fit aus, seine regelmäßigen, aber nicht sonderlich auffallenden Gesichtszüge waren gebräunt, und seine Hände lagen ruhig auf den Armlehnen des Sessels. Auf Rodin machte er den Eindruck eines Mannes, der auch in kritischen Situationen die Kontrolle über sich selbst nicht verlor. Was ihn störte, waren einzig die Augen des Engländers. Sie erwiderten ungerührt den kritischen Blick, mit dem man ihn musterte,und wirkten offen und klar, sofern man von dem fleckigen Grau der Iris absah, das einen unwillkürlich an den nebligen Frost eines frühen Wintermorgens denken ließ. Rodin brauchte ein paar Sekunden, um zu entdecken, daß sie bar jeden Ausdrucks waren. Was auch immer sich in diesem Menschen abspielen mochte, das Grau seiner Augen blieb undurchdringlich wie eine Rauchwand und verriet nichts. Rodin beschlich ein Gefühl des Unbehagens. Wie jedem von Systemen und vorgeschriebenen Prozeduren geprägten Menschen mißfiel ihm alles Unberechenbare und daher Unkontrollierbare.
    »Wir wissen, wer Sie sind«, begann er ohne Übergang. »Es ist daher an der Zeit, daß ich mich Ihnen vorstelle. Ich bin Oberst Marc Rodin -«
    »Ich weiß«, sagte der Engländer. »Sie sind der Stabschef der OAS. Sie sind Major René Montclair, Schatzmeister, und Sie Monsieur André Casson, Chef der Untergrundbewegung in der Metropole.« Während er sprach, blickte er die drei Männer der Reihe nach an und griff nach einer Zigarette.
    »Sie scheinen ja schon eine ganze Menge zu wissen«, warf Casson ein.
    Der Engländer steckte sich die Zigarette an, lehnte sich zurück und stieß einen dichten Strahl von blauem Rauch aus. »Meine Herren, sprechen wir doch offen miteinander. Ich weiß, wer Sie sind, und Sie wissen, was ich bin. Unsere beiderseitige Tätigkeit - sowohl Ihre als auch meine - ist keine ganz alltägliche. Sie werden gejagt, während ich ohne Überwachung reisen kann, wohin ich will. Ich arbeite gegen Geld, Sie tun es aus Idealismus. Aber wenn es um konkrete Einzelheiten geht, sind wir allesamt Praktiker, Profis der gleichen Branche. Wir brauchen einander also nichts vorzumachen. Sie haben Erkundigungen über mich eingezogen. Es ist schlechthin nicht möglich, derartige Nachforschungen anzustellen, ohne daß dies demjenigen, dem sie gelten, zu Ohren kommt. Selbstverständlich habe ich wissen wollen, wer sich so angelegentlich für mich interessiert. Es hätte jemand sein können, der sich an mir rächen, oder auch jemand, der mich engagieren will. Es war wichtig für mich, das herauszubekommen. Als ich erfuhr, welche Organisation es war, die ein solches Interesse an mir bekundete,genügten zwei Tage, die ich in der französischen Abteilung des Zeitungsarchivs im Britischen Museum verbrachte, um mich über Sie und Ihre Organisation ausreichend ins Bild

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